Vor 333 Jahren wurde in Wien der Vormarsch der Muslime gestoppt
Das Osmanische Reich klingt heute noch nach

Die heutige Türkei ist nur noch ein kleiner Teil jenes riesigen Osmanischen Reichs, das einst bis vor die Tore Wiens reichte. Wenn wir ein Gipfeli essen, hat das auch damit zu tun.
Publiziert: 11.10.2016 um 10:33 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:15 Uhr
Foto: Infografik BLICK
Guido Felder

Am 12. September 2016 wurde in Wien gefeiert: Genau vor 333 Jahren hatten die Habsburger mit Hilfe der Polen und anderer Heere die Osmanen vor den Toren der Stadt geschlagen und zurückgedrängt. Ein Befreiungsschlag für unsere Nachbarn – aber auch für die Eidgenossenschaft. Ohne diesen Sieg wäre sie möglicherweise von den Osmanen eingenommen worden.

Aus den Kanonen der Osmanen gegossen: Die Stephansdom-Glocke in Wien.
Foto: Getty

Das Osmanische Reich entstand Anfang des 14. Jahrhunderts im Gebiet der heutigen Türkei und breitete sich immer weiter aus. Zur Zeit der grössten Ausdehnung im 17. Jahrhundert umfasste der islamisch geprägte Vielvölkerstaat Nordafrika, den Nahen Osten, die heutige Türkei, den Balkan und weitere Teile Osteuropas.

«Vater der Türken» trieb Modernisierung voran

Das Reich war in viele Kriege verwickelt: Hauptfeinde waren das Heilige Römische Reich im Westen, die Perser im Osten und später das Russische Reich im Norden. Nach der Nieder­lage bei Wien 1683 schrumpfte das Reich, bis es nach dem Ersten Weltkrieg 1922 endgültig auseinanderbrach.

Wird immer noch verehrt: Staatsgründer Atatürk (1881-1938).
Foto: Alamy Stock Photo

An seiner Stelle wurde der Nachfolgestaat Türkei gegründet. Erster Präsident war Mustafa Kemal Pascha (1881–1938), bekannt unter dem Namen Atatürk (Vater der Türken). In seiner Amtszeit von 1923 bis 1938 trieb er die Modernisierung des Landes nach westlichem Vorbild voran und schaffte Sultanat wie Kalifat ab. Er gab den Frauen schon 1934 das Wahlrecht und propagierte ein modernes Frauenbild. Die Türken verehren ihn.

Erdogan orientiert sich an der Grösse des Osmanischen Reichs

Der heutige Präsident Recep Tayyip Erdogan (62) sieht sich als neuer Atatürk. Jedenfalls, wenn es um die Macht geht. Im Unterschied zum Staatsgründer kehrt Erdogan aber in den Konservatismus zurück und orientiert sich an der Grösse des Osmanischen Reichs.

Noch heute gibt es bei uns Spuren der hartnäckigen Belagerung durch die Osmanen. Mit ihrem Feldzug Richtung ­Österreich brachten sie den ­Kaffee nach Europa. Mythen berichten, dass man in dieser Zeit durch die Nachahmung des Halbmondes das Gipfeli erfunden habe und dessen Verzehr den symbolischen Tod eines Türken bedeuten sollte.

Ein besonderes Erinnerungsstück ist die grösste Glocke Österreichs, die Pummerin am Stephansdom in Wien – auch die «Stimme ­Österreichs» genannt. Die über 20 Tonnen schwere Glocke wurde aus den 1683 erbeuteten Kanonen der Osmanen gegossen. Als die Pummerin beim Kirchenbrand 1945 in die Tiefe stürzte und zerschellte, wurde aus dem Material eine neue gemacht.

Erdogan, Erdogas

Istanbul – Zum ersten Mal seit ihrer Versöhnung vor zwei Monaten trafen sich gestern der türkische  Präsident Recep Tayyip Erdogan (62) und Russlands Präsident Wladimir Putin (64) in Istanbul. Zur Hauptsache ging es um Geschäfte: Erdogan will sein Land «mit umfangreichen Investitionen zum Erdgas- und Energiehandelszentrum» machen, wie er sagte. Dazu braucht er die Russen. Zur Offensive gehört die Pipeline Turkish Stream, die russisches Erdgas nach Südeuropa bringen soll. Putin und Erdogan besiegelten das Grossprojekt – jetzt, da man es wieder gut miteinander hat.

TURKEY-POLITICS-WORLD-ENERGY-CONGRESS
Zusammen voller Energie: Erdogan (l.) und Putin gestern in Istanbul.
Kayhan Ozer

Istanbul – Zum ersten Mal seit ihrer Versöhnung vor zwei Monaten trafen sich gestern der türkische  Präsident Recep Tayyip Erdogan (62) und Russlands Präsident Wladimir Putin (64) in Istanbul. Zur Hauptsache ging es um Geschäfte: Erdogan will sein Land «mit umfangreichen Investitionen zum Erdgas- und Energiehandelszentrum» machen, wie er sagte. Dazu braucht er die Russen. Zur Offensive gehört die Pipeline Turkish Stream, die russisches Erdgas nach Südeuropa bringen soll. Putin und Erdogan besiegelten das Grossprojekt – jetzt, da man es wieder gut miteinander hat.

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