Benny Gantz (61) ist ein Regierungschef auf der Wartebank. Nach der dritten Parlamentswahl innerhalb eines Jahres einigte sich der Mitte-Politiker im Mai mit Israels nationalkonservativem Premierminister Benjamin Netanyahu (71) auf eine gemeinsame Regierung. Nach anderthalb Jahren wollen sie den Spitzenposten tauschen.
Ob die Amtsübergabe reibungslos verlaufen wird? Der israelische Verteidigungsminister ist zuversichtlich. «Es sind noch 364 Tage, bis ich Ministerpräsident werde, und solange das Land will, dass ich ihm diene, werde ich das auch tun», erzählt Gantz am Mittwoch bei einem von Christian Dorer (45), Chefredaktor der Blick-Gruppe, mitmoderierten Gespräch via Videokonferenz, zu dem ihn die Gesellschaft Schweiz-Israel eingeladen hatte.
Bis zum Machtwechsel gibt sich der Verteidigungsminister mit der Rolle als Nummer zwei zufrieden. «Ich kooperiere sehr gut mit dem Premierminister.» Das ist auch wichtig: Mit dem Nahostkonflikt, der Corona-Krise und der US-Wahl beschäftigen die neue Regierung gleich drei aktuelle Themen.
«Die gesellschaftlichen Auswirkungen machen mir Sorgen»
Nach einer milden ersten Welle traf Corona das 8,9-Millionen-Einwohner-Land mit voller Wucht. Die Folge: Israel musste zurück in den harten Lockdown. Von 9000 Fällen pro Tag senkte das Land die Neuinfektionen so auf aktuell rund 600.
Die Regierung versuche gerade, eine Balance zwischen Gesundheitsschutz und wirtschaftlichen Bedürfnissen zu finden. «Experten haben uns gesagt, wir sollen runter auf null Fälle pro Tag. Und wir sollten keinem Druck nachgeben, bis wir wirklich bei null sind. Denn selbst dann würden die Zahlen wieder irgendwann steigen.»
Die wissenschaftliche Empfehlung hält er nicht für realistisch. «Die gesellschaftlichen Auswirkungen machen mir Sorgen. Wir müssen das Bildungssystem trotz geschlossener Schulen am Laufen halten.» Eine mögliche Lösung: lokale Lockdowns. Auch ein israelischer Impfstoff stehe in den Startlöchern. Aber: «Covid-19 wird wahrscheinlich Covid-20 oder sogar -21 werden, und es wird noch eine Weile dauern, bis wir damit fertigwerden.»
Israel braucht die USA und die Schweiz
Auch in der Nahostkrise sucht er, der ehemalige Generalstabschef der israelischen Armee, politisch nach Lösungen, die Stabilität bringen. «Ich war ja 38 Jahre im Militär. Und ich kann Ihnen sagen: Der kälteste Frieden ist besser als der leichteste Krieg.»
Für Sicherheit und Frieden braucht er die USA. Das weiss der Ex-Militär. Trotzdem sorgt ihn der Wahlzoff in den USA nicht. «Sowohl der zukünftige Präsident Biden als auch der heutige Präsident Trump sind Freunde des Staates Israel.»
Ausdrücklich befürwortet er die Politik des maximalen Drucks auf den regionalen Intimfeind. «Der Iran erlaubt sich einfach mehr, weil er Atomwaffen hat. Das müssen wir ausbremsen.»
Da sei auch die Schutzmacht Schweiz gefragt, deren Guten Dienste Israels künftiger Regierungschef sehr schätzt und respektiert. Gantz' Wunsch: Die Schweiz sollte zweigleisig fahren. «Auf der einen Seite das Gespräch, auf der anderen Seite der gemeinsame Druck von europäischer Seite.»