Erbarmungslos brennt die Sonne auf die steinigen Wanderwege in der Degollada de Tasarte. Das 3920 Hektar grosse Naturschutzgebiet Inagua auf der Ferieninsel Gran Canaria (Spanien) ist ein beliebtes Ziel von Touristen, die es ausser an den Strand auch in die Berge zieht.
BLICK sucht hier nicht nach Erholung, sondern nach Spuren von Klara Bond (70) aus Widnau SG. Die Rentnerin verstauchte sich vor zwölf Tagen in dieser schroffen Landschaft auf einer Wanderung mit Tochter Claudia (44) den Fuss. Sie kann nicht mehr weitergehen.
Was nach einer kleinen Verletzung klingt, könnte das Todesurteil der rüstigen Dame gewesen sein. Denn auf dem Abstieg erleidet ihre Tochter einen Hitzschlag und kann sich später nicht mehr erinnern, wo sie ihre verletzte Mutter zurückliess, um Hilfe zu holen (BLICK berichtete).
Seither verstreichen die Tage. Klara Bond bleibt verschwunden.
Klara ist gut in Form
Um die Schweizerin zu finden, steigen Helikopter auf und ab. Suchtrupps durchkämmen das unwirtliche Gebiet, wagen sich in Höhlen, unter Felsvorsprünge. Hundert Leute suchen nach der Verletzten – sie finden nichts! Die Polizei koordiniert die Aktionen, selbst die Inselzeitung «La Provincia» veröffentlicht einen grossen Artikel. Ergebnis der Mühen: Wieder null Hinweise! Klara B. scheint wie vom Erdboden verschluckt.
Auch BLICK will sehen, wo die Rentnerin verschwand und wagt sich in die karge Bergregion. Schon der Aufstieg ist eine Tortur, die schmalen Wege steigen rasch an. Die Hitze ist sengend, 40 Grad und weit und breit kein Schatten. Ein Hilfeschrei verhallt hier ungehört, Handy-Empfang ist eine Illusion.
In der Ferne schimmert der Atlantik, doch Wasserstellen sucht man zwischen den Felsen vergebens. Der Gedanke an die hilflose Rentnerin macht bange. Wie will man hier ohne Essen und Wasser so lange überleben? Was, wenn es Nacht wird? Und musste Klara Bond leiden?
Zurück im Ferienort Playa de Ingles erinnert man sich an der Rezeption im Hotel Parque Internacional an Klara Bond. «Eine fitte und agile Dame. Gut gelaunt, gut in Form», so der Concierge.
Die Angehörigen geben die Hoffnung nicht auf
Am Taxistand ist das spurlose Verschwinden der Schweizerin das grosse Thema. Hoffnung, dass die Rentnerin in der kargen Passlandschaft durchkommt, hat keiner mehr. «Ohne Wasser, ohne Nahrung? Hier hat es seit sechs Monaten nicht mehr geregnet, da oben ist es knochentrocken», meint ein Einheimischer. Auch Kiosk-Besitzer Paco Cabrera (37) macht sich Sorgen: «Viele Touristen überschätzen sich. Da oben in den Bergen kann viel schiefgehen.»
Dennoch: Die beiden Kinder von Klara Bond, Marcel und Claudia, durchforsten weiter die Insel, hoffen auf ein Wunder. Daheim in Widnau wartet mit Gallus Hutter (72) auch Klaras Bruder auf ein Lebenszeichen. Er hofft: «Vielleicht klärt sich ja doch noch alles auf und meine Schwester lebt.»
Die spanischen Behörden haben die aktive Suche mittlerweile reduziert, ein letztes Mal wurde Tochter Claudia befragt – sie kann sich einfach nicht erinnern, wo sie ihre Mutter zum letzten Mal sah. Einzige Erinnerung: Sie liess ihre Mutter eine 0,5-Liter-Flasche Wasser da. Viel zu wenig, um zu überleben!
Die Wandersaison startet in der Region in sechs Wochen. Ist das Rätsel um Klara Bond dann immer noch offen? Ein Ermittler sagt: «Dann sind aber wieder Menschen da oben.»