Er war an Bord von Flug 1152 der iranischen Mahan Air nach Beirut, die am Donnerstagabend über Syrien von zwei Kampfflugzeugen bedroht worden sein soll. Die Passagiermaschine muss IRIB zufolge abrupt in den Sinkflug gehen, mehrere Insassen werden verletzt. Wenig später teilt das US-Militär mit, eine amerikanische F-15 habe sich dem Flugzeug genähert, um es zu identifizieren.
USA bestätigt Vorfall
Das US-Militär bestätigte, dass ein eigener Jet den Passagierjet im syrischem Luftraum kontrolliert habe. Die amerikanische F-15 habe den Passagierflieger «aus einer sicheren Entfernung von rund 1000 Metern» einer üblichen optischen Identifizierung unterzogen, teilte Hauptmann Bill Urban, Sprecher des zuständigen Central Command, mit. Anlass der Kontrolle sei die Sicherheit von Koalitions-Angehörigen in der Garnison in Al-Tarf gewesen. Als der Pilot dann das Flugzeug als Passagierjet der Mahan Air identifizierte, entfernte sich die F-15 mit gebührendem Abstand von der Maschine. Die Aktion sei «im Einklang mit internationalen Standards» erfolgt.
Der Iran erwägt nach eigenen Angaben vom Freitag, rechtliche Schritte gegen die USA einzuleiten. «Belästigung einer Passagiermaschine in einem neutralen Luftraum (Syrien) ist ein klarer internationaler Verstoss gegen die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs», sagte Vizepräsidentin Laja Dschonejdi laut Nachrichtenagentur Isna. Daher könnte der Iran rechtliche Schritte unternehmen und den Fall bei der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation sowie dem Internationalen Gerichtshof melden. Das iranische Aussenministerium will die Details des Vorfalls noch untersuchen und dann eine Erklärung abgeben.
Zurück in alte Zeiten
Der Vorfall scheint wie ein Rückfall in alte Zeiten: Unmittelbar nach einem sicherheitsrelevanten Ereignis wird von iranischer Seite der Erzfeind Israel verantwortlich gemacht. Dabei wurde gerade dies zuletzt noch vermieden - nach der mysteriösen Brand- und Explosionsserie im Juni und Juli. Mal brennt es da zum Beispiel in der Atomanlage in Natans, mal fackeln sieben Schiffe ab, ein anderes Mal explodiert eine Pipeline. Die Ursachen sind meist unklar. Auch ob die Vorfälle miteinander zusammenhängen, ist ungewiss. Dies bietet Raum für Spekulationen, etwa über Israel als möglichen Urheber.
Israel streitet Schuld nicht ab
Israel hat eine Beteiligung daran weder bestätigt noch dementiert. «Nicht jeder Vorfall im Iran steht notwendigerweise mit uns in Verbindung», sagt Verteidigungsminister Benny Gantz Anfang Juli zu Mutmassungen, Israel könnte hinter dem Brand in Natans stecken. Aussenminister Gabi Aschkenasi sagt nahezu zeitgleich: «Wir ergreifen Massnahmen, über die man besser nicht sprechen sollte.»
Der Iran-Experte Raz Zimmt rät, nicht alle Vorfälle gleichrangig zu betrachten. Einige könnten Sabotage gewesen sein, die meisten sind nach seiner Ansicht aber eher auf Pannen und Unfälle zurückzuführen.
Brand in Natans war Absicht
Für den Wissenschaftler vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) an der Universität von Tel Aviv ragt der Brand in Natans aber heraus. «Dieser steht wahrscheinlich in Verbindung mit einem ausländischen Geheimdienst, sei es ein israelischer, ein amerikanischer oder irgendein anderer.» Der Brand sei definitiv absichtlich herbeigeführt worden.
Israel und USA unter Verdacht
Das zerstörte Gebäude, in dem Hightech-Zentrifugen zur Urananreicherung hergestellt wurden, ist ein wichtiger Teil des Atomprogramms des Irans, das Israel als existenzielle Bedrohung ansieht. Auch die USA halten es für gefährlich. Daher wird gemutmasst, es könne in Natans einen Cyberangriff gegeben haben wie 2010, als Israel und die USA mit dem Schadprogramm Stuxnet dort annähernd 1000 Zentrifugen zerstört haben sollen. Die Spekulationen reichen aber auch von einem Angriff mit Raketen, die von Radaranlagen nicht erfasst werden können, bis hin zu von Menschen platzierten Bomben.
Cyberangriff sehr wahrscheinlich
Experten im Iran wissen noch immer nichts Genaues über die Explosion. Ausser den Mitarbeitern der iranischen Atomorganisation habe niemand Zugang zu dem Ort, «daher kann man da nur spekulieren», sagt ein Politologe in Teheran. Einen ausländischen Angriff hält er für unwahrscheinlich, einen Sabotageakt auch, sonst hätte der Iran schon reagiert. Realistischer seien ein Cyberangriff oder eine Panne.
Israel verhält sich verdächtig
Für Raz Zimmt aus Tel Aviv ist es «sehr naheliegend, Israel als möglichen Verdächtigen zu betrachten». Israel sei vielleicht am stärksten wegen nuklearer Fortschritte des Irans besorgt, insbesondere seit dieser vor einem Jahr begonnen habe, sich von seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen loszusagen. Der Iran sei derzeit wahrscheinlich nur noch drei oder vier Monate davon entfernt, genügend spaltbares Material für eine Atombombe zu produzieren.
Atomabkommen läuft ab
Vor fünf Jahren hatten Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, China, Russland und die USA nach langen Verhandlungen mit dem Iran ein Abkommen geschlossen. Es gesteht dem Iran ein ziviles Atomprogramm zu, soll aber sicherstellen, dass die Islamische Republik nicht die Fähigkeiten zum Bau einer Atombombe erlangt. Israel ist ein entschiedener Gegner des Abkommens. Es befürchtet etwa, dass Iran heimlich weiter an Atomwaffen arbeitet. US-Präsident Donald Trump sieht dies ähnlich. Er kündigt das Abkommen im Mai 2018 einseitig auf und verhängt neue Sanktionen gegen den Iran. Daraufhin hat auch Teheran schrittweise fast alle Bestimmungen ignoriert.
Was macht der Iran?
Aus Sicht von Zimmt ist die Hauptfrage nun, ob der Iran für den Vorfall in Natans Vergeltung üben wird. Doch obwohl Israel seit über 40 Jahren die Hauptrolle in allen iranischen Verschwörungstheorien spielt, ist in dem Land von einer israelischen Verwicklung bislang keine Rede. Das Aussenministerium hat lediglich eine «angemessene» Reaktion angekündigt, sollte hinter dem Vorfall ausländische Sabotage stecken. Eindeutige Schuldzuweisungen werden vermieden. Würde die Regierung in Teheran dies tun, sähe sie sich möglicherweise zu einer Reaktion gezwungen, sagt Iran-Experte Zimmt.
Iraner wollen Gegenmassnahmen
Nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani durch eine US-Drohne im Irak und wegen der Sanktionen, die die Wirtschaft des Landes abwürgen, wurden Rufe nach Gegenmassnahmen im Iran lauter. Durch die mysteriösen Vorfälle könnte der Druck gestiegen sein.
Vorsichtiger Umgang mit den USA
Doch Zimmt rechnet in naher Zukunft nicht mit einer grossen Aktion und verweist auf die US-Wahl in vier Monaten. Der Demokrat Joe Biden hat gute Chancen, sich da gegen den Republikaner Trump durchzusetzen. Biden war Vizepräsident, als das Atomabkommen mit dem Iran geschlossen wurde. Im Oktober soll zudem im UN-Sicherheitsrat über das Ende des Waffenembargos gegen den Iran entschieden werden. Eine falsche Aktion «könnte zu zwei Eigentoren führen (...): Fortsetzung das Waffenembargos und Wiederwahl von Trump», erklärt der Politologe aus Teheran.
Weitere Attacken werden kommen
Was bliebe dem Iran dann? Nach Ansicht von Experten muss sich Israel etwa auf weitere Cyberattacken einstellen. Die Wasserversorgung des Landes war in den vergangenen Wochen bereits zweimal Ziel. Einen Angriff im Mai soll Israel mit einer Hacker-Attacke auf einen iranischen Hafen gekontert haben - der Auftakt der mysteriösen Vorfälle im Iran? (SDA)
Das sind die wichtigsten Vereinbarungen aus dem Vertrag zum iranischen Atomprogramm:
- Uran-Anreicherung
Die Herstellung atomarer Waffen ist nur möglich, wenn man genug spaltbares Material zur Verfügung hat. Das Abkommen legte deshalb den Grenzwert von 3,67 Prozent fest, bis zu dem der Iran Uran anreichern darf. Für Atomwaffen ist ein Anreicherungsgrad von 90 Prozent nötig. Vor dem Abkommen reicherte der Iran Uran bis zu 20 Prozent an.
- Uran-Vorräte
Der Bestand an niedrig angereichertem Uran darf 300 Kilogramm nicht überschreiten, und zwar für 15 Jahre, legte das Abkommen 2015 fest.
- Anreicherungskapazitäten
Der Iran hat zwei Anlagen zur Anreicherung von Uran, die teilweise unter der Erde liegen. Das Abkommens legte fest, dass die Zahl der Zentrifugen um mehr als zwei Drittel reduziert wird. Die Forschung und Entwicklung zur Uran-Anreicherung ist in den Anlagen seitdem nur noch in einem kleineren Massstab erlaubt. Damit sollte verhindert werden, dass die Kapazität für eine Anreicherung sprunghaft ansteigt.
- Plutonium
Der Iran war 2015 von der Verarbeitung von Plutonium zu waffenfähigem Material noch weiter entfernt als von Uran. Im Schwerwasser-Reaktor Arak hätte möglicherweise irgendwann Plutonium hergestellt werden können, doch das Abkommen verlangte, den Reaktorkern mit Zement aufzufüllen. Unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA sollte der Reaktor so umgebaut werden, dass die Produktion von Plutonium minimiert wird und im Normalbetrieb kein waffenfähiges Plutonium anfällt. Neue Schwerwasser-Reaktoren darf der Iran nicht bauen.
Das sind die wichtigsten Vereinbarungen aus dem Vertrag zum iranischen Atomprogramm:
- Uran-Anreicherung
Die Herstellung atomarer Waffen ist nur möglich, wenn man genug spaltbares Material zur Verfügung hat. Das Abkommen legte deshalb den Grenzwert von 3,67 Prozent fest, bis zu dem der Iran Uran anreichern darf. Für Atomwaffen ist ein Anreicherungsgrad von 90 Prozent nötig. Vor dem Abkommen reicherte der Iran Uran bis zu 20 Prozent an.
- Uran-Vorräte
Der Bestand an niedrig angereichertem Uran darf 300 Kilogramm nicht überschreiten, und zwar für 15 Jahre, legte das Abkommen 2015 fest.
- Anreicherungskapazitäten
Der Iran hat zwei Anlagen zur Anreicherung von Uran, die teilweise unter der Erde liegen. Das Abkommens legte fest, dass die Zahl der Zentrifugen um mehr als zwei Drittel reduziert wird. Die Forschung und Entwicklung zur Uran-Anreicherung ist in den Anlagen seitdem nur noch in einem kleineren Massstab erlaubt. Damit sollte verhindert werden, dass die Kapazität für eine Anreicherung sprunghaft ansteigt.
- Plutonium
Der Iran war 2015 von der Verarbeitung von Plutonium zu waffenfähigem Material noch weiter entfernt als von Uran. Im Schwerwasser-Reaktor Arak hätte möglicherweise irgendwann Plutonium hergestellt werden können, doch das Abkommen verlangte, den Reaktorkern mit Zement aufzufüllen. Unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA sollte der Reaktor so umgebaut werden, dass die Produktion von Plutonium minimiert wird und im Normalbetrieb kein waffenfähiges Plutonium anfällt. Neue Schwerwasser-Reaktoren darf der Iran nicht bauen.