Heute ist Wahltag in New Hampshire. Nur 1,3 Millionen Einwohner zählt der Bundesstaat im Nordosten der USA. Und doch haben sie reichlich politische Macht. Ihre Stimmen sind mitunter entscheidend, wer nächsten Januar ins Weissen Haus einzieht und die mächtigste Nation der Welt lenkt.
Selten war die Wahl so spannend wie dieses Jahr im Staat mit dem Motto «Live Free or Die» – «Lebe frei oder stirb».
Bei den Demokraten ist Favoritin Hillary Clinton (68) in Rücklage geraten. Geschickt nutzt Widersacher Bernie Sanders (74) ihre Nähe zu den Banken und unterstellt der ehemaligen First Lady Käuflichkeit. Hillary und ihr Ehemann Bill Clinton (69) werfen dem Senator öffentlich Sexismus vor – und mahnen Frauen zur Solidarität an der Urne.
Derweilen zerfleischen sich die Republikaner. Moderate Kandidaten wie Gouverneur Chris Christie (53) und Präsidenten-Sohn und -Bruder Jeb Bush (62) schiessen sich auf Senator Marco Rubio (44) ein, der in Iowa als lachender Dritter zwischenzeitlich zum Favoriten der Republikaner aufgestiegen ist. Milliardär Donald Trump (69) führt in den Umfragen klar. Was eine Bürde ist. Gewinnt er nicht, dürfte er kaum mehr eine Chance haben, die Republikaner als ihren Kandidaten in den Wahlkampf zu führen.
Die letzten Wahllokale schliessen in New Hampshire um 20 Uhr Lokalzeit, also um 2 Uhr am Mittwochmorgen Schweizer Zeit. Dann sollten klare Hochrechnungen und erste Resultate vorliegen.
REPUBLIKANER
Donald Trump: Es geht ums Ganze
Der ewige Sieger kommt als Verlierer aus Iowa nach New Hampshire. Dort führt er mit rund 15 Punkten Vorsprung das republikanische Feld klar an. Gewinnt er heute Abend nicht, ist dies wohl das Ende seines Traums vom Wohnrecht im Weissen Haus. Gewinnt er, folgt am 20. Februar der erste echte Test für Trump. Dann halten die Republikaner in South Carolina Vorwahlen, einem Staat mit vielen Schwarzen, einer erzkonservativen und sehr religiösen Wählerschaft. Dort wird sich zeigen, ob Trump selbst bei jenen Amerikanern ankommt, die mit dem New Yorker wenig gemein haben.
Marco Rubio: Angezählt
Der Senator aus Florida kam als republikanischer Hoffnungsträger aus Iowa hervor. Er belegte den guten dritten Platz, etablierte sich als Mann der Mitte und somit als landesweit wählbarer Republikaner. Bei den Umfragen in New Hampshire hat er sich an zweiter Stelle hinter Trump positioniert. Allerdings ist Rubio angezählt. Bei der letzten TV-Debatte entblösste ihn Chris Christie als unerfahren und naiv. Vor laufender Kamera brach Rubio regelrecht auseinander, verlor die Fassung und stammelte mehrmals den gleichen, auswendig gelernten Satz. Wird er heute Abend zweiter, ist das für Rubio ein Triumph. Als Dritter muss er wohl seine Segel streichen.
Chris Christie: Geht aufs Ganze
Der gewichtige Gouverneur von New Jersey war jahrelang für viele der Geheimfavorit. Wenn er nur abnehmen würde. Dann nahm er ab, war aber in einen politischen Skandal verwickelt – und schaffte es nicht, sich als Mann der Mitte zwischen den Hardlinern Trump und Ted Cruz zu positionieren. In der letzten TV-Debatte aber krempelte er seine Ärmel hoch, griff Rubio frontal an – und gab sich als erfahren. Just stieg er in den Umfragen. Wird er zweiter oder dritter, bleiben seine Chancen intakt, sonst kann er abtreten.
Jeb Bush: Ehrenvoller Abgang
Der Sohn und Bruder zweier Ex-Präsidenten kann nur noch auf einen ehrenvollen Abgang hoffen. Seine Kandidatur kam nie vom Fleck. Zwar gelten seine Positionen als vernünftig, Bush ist ein netter Mensch. Als Wahlkämpfer aber taugt er nicht.
Ted Cruz: Mehr als nur die Frommen?
Der Sieger von Iowa muss in New Hampshire zeigen, dass er nicht nur bei frommen Wählern ankommt. Schneidet er schlechter als auf Platz drei ab, muss er wohl aufgeben.
DEMOKRATEN
Hillary Clinton: Mit dem Rücken zur Wand
Sie ist die perfekte Kandidatin, hat so viel Geld gesammelt wie niemand sonst, führte lange in Umfragen, ihr Leistungsausweis ist glänzend. Und doch dürfte sie in New Hampshire nur zweite werden. Ihr Widersacher wirft ihr die Nähe zu den Banken an der Wall Street vor. So hat sie zwischen 2013 und 2015 für Vorträge fast drei Millionen Dollar kassiert. Eine Niederlage kann sie aber verdauen.
Bernie Sanders: Der Populist
Der Senator aus Vermont dürfte die Wahl in seinem Nachbarstaat New Hampshire gewinnen. Geschickt spricht er die desillusionierte Jugend an. Die grosse Frage: kann er den Schwung von New Hampshire in den Süden tragen?