Verantwortlich für die wirrste aller Verschwörungstheorien um die US-Wahlen
Diese Frau steckt hinter «Italygate»

Michele Roosevelt Edwards hat dafür gesorgt, eine abenteuerliche Verschwörungstheorie zu lancieren, die Trumps Niederlage im Wahlkampf erklären soll. Trumps Berater wollten Ermittlungen einleiten. Die Frau wurde aber schon mehrmals beim Lügen erwischt.
Publiziert: 21.06.2021 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2021 um 08:32 Uhr
Sie ist laut «Washington Post» der Kopf hinter «Italygate»: Michele Roosevelt Edwards.
Foto: Twitter
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Fast ein Viertel der US-Amerikaner glaubt nach wie vor, dass Donald Trump (75) bei den Präsidentschaftswahlen betrogen wurde. In seiner republikanischen Partei sind es sogar 53 Prozent, wie eine Umfrage im Mai zeigte.

Eine der wildesten Theorien: US-Wahlmaschinen sollen von italienischen Militärsatelliten so beeinflusst worden sein, dass nur Biden die Wahl gewinnen konnte. Mark Meadows (61), Trumps einstiger Stabschef, schickte Ende 2020 und Anfang 2021 mehrere E-Mails mit dem Betreff «Italygate» an den damaligen geschäftsführenden Justizminister Jeffrey A. Rosen und bat ihn, Ermittlungen in der Sache einzuleiten.

Warlords, Piraten, Senatoren

Wie jetzt die «Washington Post» aufdeckt, steckt hinter dieser Verschwörungstheorie aber mit Michele Roosevelt Edwards eine Frau, die ein derart bizarres Leben zu führen scheint, dass «Italygate» nur ein Farbtupfer an der Wand ist.

Edwards wollte einst für die Republikaner in den Senat und baute sich einen Ruf als Fürsprecherin der Somalier auf. Sie sagt von sich, mit Warlords und Piraten auf Augenhöhe verhandeln zu können. Und viele andere Dinge – die oft als Lüge entlarvt wurden.

Firmen gehören Edwards

Was das mit Trump zu tun hat? Einen Brief, den Meadows an Rosen im Rahmen seiner Bitten sendete, beinhaltete das Logo der Firma «USAerospace Partners», ein kleines Flugunternehmen aus Virginia. Im Januar veröffentlichte eine weitere Firma aus Virginia die Meldung eines italienischen Anwalts der behauptete, Hacker hätten zugegeben, in «Italygate» verstrickt zu sein. Beide Firmen gehören Michele Roosevelt Edwards, die diverse Unternehmen in verschiedenen Bereichen gegründet hat.

Als Hauptsitz einer ihrer Firmen wird «North Wales», eine 22-Zimmer-Villa (plus 14,5 Badezimmer) im ländlichen Virginia angegeben. Wert: Über 25 Millionen Franken, wie aus einer Makleranzeige zu entnehmen ist.

Villa gehört nicht Edwards

Am Tag nach der Präsidentschaftswahl wurde Edwards von einem TV-Team aus Island – wo sie laut «Washington Post» geschäftliche Beziehungen hat – interviewt. Sie sagte, das Anwesen gehöre ihr. «Das ist mein Schlafzimmer, alles sehr privat was ich euch zeige.»

Doch die Villa gehört einem ehemaligen Finanzmagnaten, der vergangenes Jahr starb. Dessen Witwe sagte in einem Interview, sie kenne Edwards nicht. Als ihr die Aufnahmen des Interviews gezeigt wurde, war sie laut Bericht entsetzt: «Das ist mein Haus. Was macht sie in meinem Haus?» Edwards war offenbar zu der Zeit als Immobilien-Maklerin unterwegs, die Villa gehörte aber nicht zu ihrem Portfolio. Die Sache kommentieren wollte sie in der Zeitung nicht, «ich gebe derzeit keine Interviews».

«Man weiss nicht, was Fakt und was Fiktion ist»

Geleakte Dokumente von Wikileaks aus dem Jahr 2009 zeigen, dass der ukrainische Aussenminister Beschwerde bei US-Offiziellen einlegte, weil Edwards «Verhandlungen mit somalischen Piraten behindern» würde, die ein Schiff und seine Crew gekapert hatten. Eine Person, die damals mit Edwards zusammenarbeitete, sagte: «Das Problem mit ihr ist, man weiss nicht, was Fakt und was Fiktion ist.»

Im September 2019 sagte Edwards, USAerospace habe die Vermögenswerte der bankrotten isländischen Fluglinie Wow Air gekauft und sie würde bald wieder fliegen. Passierte bisher nicht.

Giuliani rief (angeblich) an

Was Trump über «Italygate» wusste, ist nicht bekannt. Die «Washington Post» zitiert eine Kontaktperson von Edwards, die Trump darüber informiert haben will und in Interviews behauptete, sie kenne einen Whistleblower der über gekaufte Wahlstimmen sprechen würde. Sie hätte einen Tag nach einem Gespräch mit Trump einen Anruf von dessen Anwalt Rudolph Giuliani (77) erhalten, der habe wissen wollen, was sie dafür verlange.

Die Zeitung zitiert mehrere anonyme «frühere Trump-Berater» die sich schockiert darüber zeigen, dass Meadows solche Verschwörungstheorien weiterleiten würde. Wie Meadows an den Brief von USAerospace kam, ist unklar.

«Italien wars»

Sicher ist, dass die Theorie weit verbreitet ist. Unter den Trump-Fans, die sich an jeden Strohhalm klammern, aber auch unter seinen wichtigsten Gefolgsleuten. Seine ehemaligen Berater Michael Flynn und George Papadopoulos – die Trump beide begnadigt hat, nachdem sie überführt wurden, in der Russland-Affäre gelogen zu haben – verbreiteten die Meldung auf Twitter. «Italien wars», schrieb Flynn.

Nur: Italien wars nicht. Der italienische Journalist, der die Affäre mit einem Zeitungsbericht am 1. Dezember ins Rollen brachte, sagte gegenüber der «Washington Post», dass der Inhalt falsch war: «Es war Fake News, eine Verschwörungstheorie.»

Erfolg hatte die Kampagne übrigens nicht. Minister Rosen weigerte sich, eine Untersuchung in «Italygate» oder eine der anderen Verschwörungstheorien einzuleiten. (vof)

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