US-Virologe Dennis Carroll beschäftigt sich schon sein Leben lang mit Viren und Pandemien. Er baute in den USA das Programm «Predict» auf, das frühzeitig vor Pandemien warnen sollte. Als ihm die Unterstützung von der Trump-Regierung entzogen wurde, engagierte er sich für das «Global Virome Project». Expertinnen und Experten versuchen damit, ein System zur frühzuzeitigen Erkennung von viralen Bedrohungen zu entwickeln.
Gegenüber Watson spricht Dennis Carroll nun darüber, was er für den weiteren Verlauf der Pandemie erwartet – und warum die Menschheit noch lange nicht mit dem Coronavirus abschliessen kann. «Wir werden lernen müssen, in Co-Existenz mit dem Coronavirus zu leben», sagt er zum Portal. Es werde sich entwickeln, es werde neue Varianten geben, bei denen die aktuellen Impfungen weniger Wirkung zeigen würden.
Braucht virales Überwachungssystem
Der Virologe sagt: «Es wird einen grossen Effort brauchen, um eine effektive Impfstrategie zu entwickeln, die auch gegen neue Varianten wirkungsvoll ist. Zudem brauchen wir ein viel ausgereifteres System, um die neuen Varianten zu verfolgen und überwachen.» Dies mache die WHO schon bei den saisonalen Grippe-Viren – also brauche es das auch für das Coronavirus, damit die Impfungen rasch angepasst werden können.
Doch die Menschheit werde sich immer damit befassen müssen. Zu Watson sagt Dennis Carroll: «Die neuen Virus-Varianten sind nicht nur eine Herausforderung für unsere Impfstrategie, sondern sie könnten unter Umständen auch gefährlich für Leute werden, die heute nicht zu einer Hochrisiko-Gruppe gehören.»
«Müssen überprüfen, wie wir tierische Proteine generieren und kosumieren»
Carroll glaubt, dass ein kleiner Prozentsatz der 1,7 Millionen Viren, die unter Tieren kursieren, auch gefährlich für den Menschen sein kann. «Wir müssen besser verstehen, wo diese Viren sind, die für den Menschen gefährlich sein könnten. Wir müssen die Hotspots ausfindig machen, wo das Risiko gross ist, dass Viren von Tieren auf Menschen überspringen.» Dort brauche es ein besseres Überwachungssystem.»
Ein grosses Problem bei der Verbreitung der Viren sind die Berührungspunkte zwischen Mensch und Tier. Carroll sagt im Interview mit dem Portal: «Wir müssen ernsthaft überprüfen, wie wir tierische Proteine generieren und konsumieren. Gerade die aufstrebenden Mittelschichten in Asien und Afrika werden nach immer mehr Mahlzeiten mit Fleisch verlangen.»
Denn es gebe noch gefährlichere Viren als das neue Coronavirus. Diese existierten bereits, seien nur noch nicht effizient genug. Da sich aber die Menschheit rasant vermehre und innert Stunden um die halbe Welt reise, könne es sich auch deutlich besser ausbreiten. Sein Ausblick auf die kommenden Jahre ist nicht gerade rosig. «Die Menschen sind damit beschäftigt, den Covid-19-Geist zurück in die Flasche zu drücken. Sie denken gerade nicht an die unvermeidlichen Covid-20, Covid-25 oder Covid-30.»