Umstrittenes Referendum
Ungarn stimmt über Flüchtlings-Verteilung ab

Die ungarische Regierung lässt ihr Volk heute über das EU-Verteilprogramm für Flüchtlinge abstimmen. Im Vorfeld hatte sie eine hetzerische Kampagne geführt.
Publiziert: 02.10.2016 um 08:33 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:19 Uhr
«Gehen wir kein Risiko ein! Stimmen wir mit Nein!», steht auf Plakaten, mit denen die Regierung für das Referendum wirbt.
Foto: Imago

«Wollen Sie zulassen, dass die Europäische Union bestimmen darf, dass nicht-ungarische Bürger in Ungarn ohne Zustimmung des nationalen Parlamentes angesiedelt werden?» – Mit dieser Frage beschäftigt sich heute das ungarische Stimmvolk. Bis 19 Uhr haben die Bürger Zeit, an der Urne ihr Votum abzugeben. Nur wenn über die Hälfte der acht Millionen Stimmberechtigten teilnehmen, ist das Abstimmungsergebnis gültig.

Die Absicht von Ministerpräsident Viktor Orban, der das Referendum initiierte, ist dabei klar: Er will der EU mit dem Volksvotum einen mächtigen Denkzettel verpassen. Vehement wehrt sich der Rechtspopulist gegen das Umsiedlungs-Programm der EU, in dessen Rahmen 160'000 Flüchtlinge von Griechenland und Italien auf die restlichen EU-Staaten verteilt werden sollen. Rund 1300 Flüchtlinge fielen dem Verteilschlüssel zufolge auf Griechenland.

Mit Hetz-Kampagne auf Stimmenfang

Um auch das Volk von seiner Position zu überzeugen, führte die Regierung in den vergangenen Monaten eine breite und äusserst aggressive Ja-Kampagne für das Referendum. Plakate wurden aufgehängt, TV-Spots geschaltet und ein 18-seitiges Abstimmungsbüchlein gedruckt. Die Botschaft, die den Bürgern vermittelt werden soll: Flüchtlinge schaden Ungarn – ja sie stellen gar eine Gefahr dar. So stehen auf den Werbeplakaten Fragen wie: «Wussten Sie, dass seit Beginn der Flüchtlingskrise die Zahl der Belästigungen von Frauen in Europa stark angestiegen ist?», oder: «Wussten Sie? Seit beginn der Flüchtlingskrise kamen in Europa über 300 Menschen durch Terroranschläge ums Leben.»

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Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Kampagne scharf. Die ungarische Regierung würde Fakten verdrehen, so etwa der Vorwurf von Human Rights Watch. 16 Millionen Euro habe allein der Druck des Abstimmungsbüchleins die ungarischen Steuerzahler gekostet.

Sie dürfte insofern erfolgreich gewesen sein, als dass ziemlich klar ist, dass eine Mehrheit der Bürger heute ganz im Sinne der Regierung für ein Nein stimmen wird. Doch weit zweifelhafter ist, ob auch die nötige Stimmbeteiligung erreicht wird. Am späten Abend soll das Ergebnis feststehen.

Ist das Referendum überhaupt gültig?

Unklar ist zudem, was ein gültiges Ja für Konsequenzen hätte. Rechtsexperten zweifeln an der Gültigkeit des Referendums, da Volksabstimmungen über Verpflichtungen, die sich aus internationalen Verträge ergeben, laut Verfassung verboten sind. Ausserdem steht EU-Recht auch in Ungarn über nationalem Recht. 

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warf Orban vor, ein «gefährliches Spiel» zu spielen. «Er stellt die Rechtmässigkeit der europäischen Gesetzgebung in Frage - an der Ungarn selbst beteiligt war», wird der deutsche Politiker heute zitiert. Zudem droht er mit finanziellen Konsequenzen: Wenn einige Empfängerländer meinen würden, «sie hätten einen Anspruch auf Solidarität, sie selbst müssten aber nicht solidarisch sein, wird das bei der Überprüfung der EU-Finanzplanung sicherlich diskutiert werden».

Satirepartei kontert

Die Opposition setzt derweil auf Humor, um die Bevölkerung von einem Nein zu überzeugen. Die Satirepartei mit dem sinnfreien Namen «Zweischwänziger Hund» hatte eine Plakatkampagne lanciert, die die Hetz-Kampagne der Regierung aufs Korn nimmt. So heisst es auf den Plakaten zum Beispiel: «Wussten Sie, dass der durchschnittliche Ungar während seines Lebens mehr Ufos als Flüchtlinge zu Gesicht bekommt?» Oder: «Wussten Sie, dass die meisten Korruptions-Delikte von Politikern begangen werden?» (lha/SDA)

«Schicken wir ein Zeichen nach Budapest, damit auch sie verstehen! Eine dumme Antwort auf eine dumme Frage! Werfen Sie eine ungültige Stimme ein» , steht auf Plakaten der Satirepartei «Zweischwänziger Hund».
Foto: AP
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