In Rorschacherberg SG kämpft Victor von Wartburg mit seiner Organisation Rives Publiques gegen das Privileg Einzelner. Er fordert Seezugang und Uferwege für die Allgemeinheit.
Auch wenige Kilometer weiter wird an den nicht schweizerischen Bodenseeufern gekämpft. Manchmal mit Erfolg. Während sich vielerorts ähnliche Probleme wie in der Schweiz zeigen, kennt man die im österreichischen Vorarlberg nicht.
Verfassung garantiert den Zutritt –
Hard, Vorarlberg, Österreich
«Wegefreiheit am Bodenseeufer» – das steht nicht etwa als Forderung auf Demo-Plakaten. Es ist der Name eines Paragrafen, der seit fast 50 Jahren in Vorarlberg gilt. Konkret: Ein zehn Meter breiter Uferstreifen muss für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Während in anderen österreichischen Bundesländern Gemeinden mühsam Privatgrund zurückkaufen oder die Landesregierung überlegt, private Seeufer per Verfassungsgesetz zu verunmöglichen, verbietet das Vorarlberger Gesetz, «den freien Zugang zum Bodensee durch Errichtung von Zäunen oder sonstigen Massnahmen zu versperren oder zu behindern». Ausnahmeregelungen gibt es allerdings – etwa für die Bregenzer Seebühne.
Dass man kaum ein Gebäude am Ufer sieht, hängt aber auch mit dem strengen Naturschutz der Vorarlberger zusammen. Fast die Hälfte ihres Bodenseeufers ist Naturschutzgebiet. Hier dürfe nur gebaut werden, wenns um die öffentliche Sicherheit gehe oder wenn der Bau den Naturschutz nur vorübergehend beeinträchtige und andere öffentliche Interessen überwögen, heisst es vom Bezirk Bregenz auf Anfrage. Das sei «eigentlich bei reinen Privatbauten nie der Fall».
Hinzu kommt: alle Gebäude, die 500 Meter oder näher am Ufer gebaut werden sollen, benötigen aus Naturschutzgründen eine besondere Bewilligung.
Das ganze Vorarlberger Ufer von 28 Kilometern unbewohnt? Nein! Ein von Unbeugsamen bevölkertes Dorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten, so scheint es. In Hard (A), knapp sechs Kilometer von St. Margrethen SG entfernt, liegen rund 125 Häuschen dicht gedrängt am Wasser: Die Feriensiedlung «In der Schanz».
Sie wurde in den 50ern gebaut, als das Gesetz über den Uferstreifen noch nicht galt. Die Harder sind findig: Das Wasser, an dem ihre Häuschen liegen, ist zwar Bodenseewasser, das Ufer faktisch aber das eines ausgehobenen Kanals und damit kein Seeufer. Zudem hatte 1987 der damalige Landesschef, der ÖVP-Politiker Martin Purtscher, wenige Wochen nach seinem Amtsantritt das Gebiet per Dekret vom Naturschutz ausgenommen.
Es funktioniert nur auf dem Papier —
Wasserburg am Bodensee, Bayern, Deutschland
Im Nachbarland Deutschland sieht man, dass Papiertiger nicht beissen. Zum Beispiel in Wasserburg am Bodensee (D), eine Gemeinde zwischen Lindau und der Grenze zu Baden-Württemberg mit gut 4200 Einwohnern.
Denn laut Bayerns Verfassung sind zwar Staat und Gemeinden «berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten». Zu diesem Zwecke darf der Staat sogar Eigentumsrechte einschränken. Zusätzlich garantiert das bayerische Naturschutzgesetz Gemeinden, Bezirken und dem Land ein Vorkaufsrecht auf Seegrundstücke.
Doch trotz diesem Gesetzestext sind in Wasserburg nur schlappe 20 Prozent des Ufers frei zugänglich. «Die liegen vor allem auf der Halbinsel Wasserburg, sonst gibt es immer wieder mal a Fleckerl», so Adolf Waltner (62) vom örtlichen Bauamt. Mehr Seezugänge für die Bevölkerung seien eigentlich wünschenswert.
Beim Wunsch bleibt es wohl vorerst. Schon in den 60ern wurde der Plan für einen durchgehenden Seeuferweg von Lindau bis nach Baden-Württemberg gebodigt. «Es gab zu viele Klagen von Privatgrundbesitzern, die sich nicht ihren Badestrand kaputt machen lassen wollten», erklärt Waltner vom Bauamt.
Enteignungen kommen für die Gemeinde nicht in Frage. Warum dann nicht Ufergrundstücke aufkaufen – Stichwort Vorkaufsrecht? «Haben wir bisher kaum ausgeübt», so Waltner. Zum Einen, weil solche Grundstücke kaum angeboten würden. Zum Anderen seien die Preise derart explodiert, dass ein Kauf für die Gemeinde finanziell nicht tragbar gewesen wäre.
Dass die «Preise schlicht zu hoch» sind, weiss auch Ulrich Epple (47), Gemeinderat für die Unabhängige Liste Wasserburg/Bodensee (ULW). Sie will «nachhaltige und umweltbewusste Politik» betreiben – und mehr Ufer für die Bevölkerung.
Epple will verhindern, dass noch mehr verbaut wird. Vor Kurzem wurde in einem Landschaftsschutzgebiet der Gemeinde eine Baulücke ausgewiesen. «Jetzt erarbeiten wir einen Bebauungsplan, der dort Neubauten verhindert.»
Uferloser Uferstreit –
Kressbronn am Bodensee, Baden-Württemberg, Deutschland
Anderer Ort, ähnliches Problem: Die Kressbronner liegen gegenüber von Rorschacherberg SG auf der anderen Bodensee-Seite. Und sie liegen sich seit Jahrzehnten in den Haaren. Seit den 80ern will die Gemeinde das Bodenseeufer besser für die Öffentlichkeit zugänglich machen und seinen ökologischen Zustand verbessern.
1998 beantragte die Gemeinde erfolgreich beim zuständigen Landratsamt, dass der etwa 800 Meter lange Uferbogen renaturiert werden solle. Und zwar durch Aufschüttung, stellenweise um bis zu 30 Meter breit. Das rief Besitzer von Seegrundstücken auf die Barrikaden, die das Ufer nach und nach mit Stegen und Zäunen verbaut hatten. Ein Rechtsstreit entflammte, der bis heute nicht ganz ausgestanden ist.
Vor kurzem entschied der Verwaltungsgerichtshof des Landes, dass die «grundsätzliche Rechtmässigkeit der planfestgestellten Uferrenaturierungsmassnahme» nicht mehr zur Diskussion stehe. Ein Dämpfer für die Privatgrundbesitzer. Im Tiefbauamt Kressbronn freut man sich. Querverbauungen wie Zäune müssten jetzt abgebaut werden, «damit die Bevölkerung die Möglichkeit bekommt, sich entlang des Ufers zu bewegen», sagt ein Mitarbeiter.
Und die verstrichene Zeit hat für die Befürworter des Uferwegs gearbeitet: In den Jahren des Streits wurden genügend Sedimente angeschwemmt, sodass ein Drittel der Strecke nicht mehr aufgeschüttet werden muss.
Kressbronn ist nicht die einzige Gemeinde in Baden-Württemberg, in der um Seezugang gekämpft wird. Die Konstanzer etwa demonstrierten in den 70ern und 80ern für freie Seezugänge, organisierten sogar öffentliche Märsche über private Ufergrundstücke.
Vor Kurzem hagelte es wieder Kritik gegen die Regierung in Stuttgart (D). Dem Land sind laut baden-württembergischem Finanzministerium freie Seezugänge zwar «ein wichtiges Anliegen». Doch wie die «Stuttgarter Zeitung» schrieb, verpachtet das Ministerium kleine Parzellen am See an Private. Ohne Ausschreibung. Zu Schnäppchenpreisen.
Das Ringen um die Ufer, es ist nicht nur in der Schweiz uferlos.
Seezugang gibt es nicht wie Sand am Meer. Das Land gehört meist Privatpersonen. Behörden kommen daher nur beschränkt und für viel Geld an solche Grundstücke. Der brachiale Weg: Enteignung.
Lange und teure Rechtsverfahren sind dann die Regel, auch wenn das Bundesgericht Enteignungen durchaus stützt. Politisch haben sie einen schweren Stand. Denn Privateigentum geniesst in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Aber auch der finanzielle Aspekt fällt ins Gewicht, denn enteignetes Land muss finanziell abgegolten werden.
Topgrundstücke aufzukaufen, ist oft aussichtslos teuer
Einen besonderen Weg gehen die Gemeinden am Sempachersee. Ihre Idee, den Seespiegel zu senken, um damit Land zu gewinnen, war nur ein Aprilscherz. Doch mit ihrer Strategie, frei werdende Parzellen am See aufzukaufen, haben sie Erfolg. «Jüngst konnte die Gemeinde Schenkon LU eine Parzelle kaufen, die sich in Privateigentum befand. Vor einem Jahr erstand Nottwil LU ein längeres Uferstück, das der Bevölkerung zugänglich gemacht werden konnte», so Beat Lichtsteiner, Geschäftsführer vom Gemeindeverband Entwicklungsträger Sursee-Mittelland.
Für Gemeinden am Sempachersee, wo sich kaum Villen ans Wasser drängen, mag dies ein gangbarer Weg sein. An Toplagen wie der Goldküste am Zürichsee oder in Horw LU am Vierwaldstättersee ist das aussichtslos. Zu gross wäre der finanzielle Aufwand.
Meist wird unter der Hand verkauft
Ausserdem werden Grundstücke an prominenter Lage nicht immer öffentlich ausgeschrieben. «Die meisten Landverkäufe werden unter der Hand abgewickelt. Wir erfahren erst davon, wenn das Grundstück bereits verkauft ist, und dann ist es für uns zu spät», sagt Hans Wyler, Gemeindeschreiber von Erlenbach ZH.
Seezugang gibt es nicht wie Sand am Meer. Das Land gehört meist Privatpersonen. Behörden kommen daher nur beschränkt und für viel Geld an solche Grundstücke. Der brachiale Weg: Enteignung.
Lange und teure Rechtsverfahren sind dann die Regel, auch wenn das Bundesgericht Enteignungen durchaus stützt. Politisch haben sie einen schweren Stand. Denn Privateigentum geniesst in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Aber auch der finanzielle Aspekt fällt ins Gewicht, denn enteignetes Land muss finanziell abgegolten werden.
Topgrundstücke aufzukaufen, ist oft aussichtslos teuer
Einen besonderen Weg gehen die Gemeinden am Sempachersee. Ihre Idee, den Seespiegel zu senken, um damit Land zu gewinnen, war nur ein Aprilscherz. Doch mit ihrer Strategie, frei werdende Parzellen am See aufzukaufen, haben sie Erfolg. «Jüngst konnte die Gemeinde Schenkon LU eine Parzelle kaufen, die sich in Privateigentum befand. Vor einem Jahr erstand Nottwil LU ein längeres Uferstück, das der Bevölkerung zugänglich gemacht werden konnte», so Beat Lichtsteiner, Geschäftsführer vom Gemeindeverband Entwicklungsträger Sursee-Mittelland.
Für Gemeinden am Sempachersee, wo sich kaum Villen ans Wasser drängen, mag dies ein gangbarer Weg sein. An Toplagen wie der Goldküste am Zürichsee oder in Horw LU am Vierwaldstättersee ist das aussichtslos. Zu gross wäre der finanzielle Aufwand.
Meist wird unter der Hand verkauft
Ausserdem werden Grundstücke an prominenter Lage nicht immer öffentlich ausgeschrieben. «Die meisten Landverkäufe werden unter der Hand abgewickelt. Wir erfahren erst davon, wenn das Grundstück bereits verkauft ist, und dann ist es für uns zu spät», sagt Hans Wyler, Gemeindeschreiber von Erlenbach ZH.