Mit Witz und einer gross angelegten Spendenaktion ziehen Erdogans Gegner in den Kampf um den Erhalt des Bürgermeisteramts von Istanbul. Die sozialdemokratische CHP hatte die Regionalwahl vom 31. März sensationell vor Recep Tayyip Erdogans (65) konservativer AKP gewonnen – für den machtgierigen Staatspräsidenten eine ungeheure Schmach. Kurzerhand liess er daher die Wahl für ungültig erklären. Sie wird am 23. Juni wiederholt.
Weil an diesem Termin auch die Ferien beginnen und viele Istanbuler Richtung Meer aufbrechen, hat die CHP Angst, dass ihr wichtige Stimmen fehlen werden. Dabei gibt sie sich äusserst witzig.
Schnee oder unerträgliche Temperaturen
So gab die Stadtverwaltung des Badeorts Bodrum, wo die Mehrheit CHP wählt, auf Twitter eine Unwetterwarnung heraus. Darin heisst es: «Liebe Istanbuler, für den 23. Juni ist in Bodrum schwerer Schneefall angesagt. Alle unsere Strände werden geschlossen sein. Wir empfehlen euch, an diesem Tag die Sonne Istanbuls zu geniessen.» Andere Küstenorte warnen vor «Temperaturen bis zu 150 Grad und einer 90-prozentigen Luftfeuchtigkeit».
Fluggesellschaften, darunter Pegasus und Turkish Airlines, bieten Passagieren eine kostenlose Annullierung ihrer Tickets an, wenn sie am Wahltag in Istanbul blieben. Von den Reisebüros ist zu vernehmen, dass für das Wochenende vom 23. Juni fast alle Reservierungen storniert worden seien.
Spenden aus der Schweiz
Bei den Regionalwahlen vom 31. März war in Istanbul Ekrem Imamoglu (48) von der CHP zum Bürgermeister ernannt worden. Nach der Annullierung kündigte er eine «Revolution» für die Demokratie an.
Um Imamoglu zu unterstützen, findet eine gross angelegte Spendenaktion statt. Auch aus der Schweiz fliesst Geld. Hakan Parlak (43), Unternehmensberater und Wahlbeobachter im türkischen Konsulat in Zürich, sagt zu BLICK: «Ich werde mindestens 100 Franken überweisen, weil ich diese Ungerechtigkeit nicht auf mir sitzen lassen will.» Bisher hätten die meisten Türken Erdogan gewählt, weil die Alternativen Katastrophen gewesen seien. Parlak: «Imamoglu ist aber ein guter Kandidat, was der Regierung grosse Angst macht.»
Egal wie die Wahlen am 23. Juni ausgehen, für Hakan Parlak ist klar: «Imamoglu gilt für die meisten Türken als Sieger, Erdogan als Verlierer.»
Deniz Yücel (46), Korrespondent der «Welt», erhebt schwere Vorwürfe gegen das Wachpersonal des türkischen Hochsicherheitsgefängnisses Silivri Nr. 9 bei Istanbul. Er sei während der ein Jahr dauernden Haft über drei Tage systematisch geschlagen, bedroht und entwürdigt worden. Yücel geht davon aus, dass Präsident Erdogan zumindest die politische Verantwortung für die Folter trägt. Die Angriffe ereigneten sich Anfang März 2017, unmittelbar nachdem Erdogan Yücel als Terroristen und deutschen Agenten bezeichnet hatte. Yücel war unter dem Vorwurf der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung verhaftet worden. Seit Februar 2018 ist er frei und lebt wieder in Deutschland. Das Verfahren läuft aber immer noch.
Deniz Yücel (46), Korrespondent der «Welt», erhebt schwere Vorwürfe gegen das Wachpersonal des türkischen Hochsicherheitsgefängnisses Silivri Nr. 9 bei Istanbul. Er sei während der ein Jahr dauernden Haft über drei Tage systematisch geschlagen, bedroht und entwürdigt worden. Yücel geht davon aus, dass Präsident Erdogan zumindest die politische Verantwortung für die Folter trägt. Die Angriffe ereigneten sich Anfang März 2017, unmittelbar nachdem Erdogan Yücel als Terroristen und deutschen Agenten bezeichnet hatte. Yücel war unter dem Vorwurf der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung verhaftet worden. Seit Februar 2018 ist er frei und lebt wieder in Deutschland. Das Verfahren läuft aber immer noch.