Tausende Flüchtlinge müssen Idomeni verlassen
Polizei räumt das Lager der Schande

Mehr als 8000 Flüchtlinge harren im Flüchtlingslager in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze aus. In einer zehntägigen Aktion soll das Camp nun geräumt werden.
Publiziert: 24.05.2016 um 06:32 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 21:50 Uhr

Die meisten Flüchtlinge schlafen noch, als eine Schar von Polizisten das Lager umzingelt: In den frühen Morgenstunden hat die Räumungs-Aktion des verwahrlosten Lagers von Idomeni begonnen. Das Camp wurde am weiträumig abgesperrt, ein Helikopter überflog die Region.

1/8
Es ist soweit: Die Räumung des wilden Camps in Idomeni hat begonnen.

An der Aktion nehmen nach Berichten griechischer Medien rund 1400 Polizisten teil. Die Behörden begleiten mehrere Übersetzer, die den Menschen in der eigenen Sprache erklären, sie müssen koordiniert und stufenweise in Busse steigen, um anschliessend in die Auffanglager im Landesinneren zu fahren, berichtete das Staatsradio unter Berufung auf die Polizei.

Mit Bussen werden die Menschen in organisierte Lager gebracht.

Für die Flüchtlinge stehen 6000 Aufnahmeplätze bereit. Die meisten Menschen sollen zunächst in neue Auffanglager bei Thessaloniki gebracht werden - etwa 80 Kilometer südlich von Idomeni.

Die Presse durfte vorerst sich nicht dem Camp nähern. «Wir dürfen nicht ins Lager. Ich sehe mehrere Busse der Bereitschaftspolizei, die in die Richtung des Lagers fahren», sagte ein Fotograf der Nachrichtenagentur dpa vor Ort. Vereinzelte Reporter berichten dennoch aus dem Lager.

Florenz Schaffner (66) bangt um die Betroffenen. Der Der ehemalige Kurdirektor von Arosa, Humorfestival-Gründer und SRF-Kadermann war mehrmals als Helfer in Idomeni im Einsatz. In der Nacht auf Dienstag schrieb er auf Facebook: «Im Moment wünsche ich mir nichts mehr, als dass diese Aktion ohne Verletzte oder gar Tote ablaufen möge!»

Der Ex-Kurdirektor von Arosa bangt.
Foto: Facebook/Lorenz Schaffner

«Es werden bereits die ersten Zelte abgebaut. Alles läuft nach Plan», sagte der Sprecher des Stabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, der Nachrichtenagentur dpa. «Die Aktion wird mehrere Tage dauern. Es wurde bislang keine Gewalt angewendet», sagte er weiter. Die Evakuierung lief auch Medienberichten zufolge ruhig und ohne Gewaltanwendung an. 

Anzeichen auf Widerstand gibt es bisher keine. Augenzeugen zufolge verläuft bisher alles ruhig. Das griechische Staatsfernsehen (ERT) zeigte am Morgen erste Videoaufnahmen aus dem Lager. Flüchtlinge sammelten ihr Hab und Gut und stiegen in Busse ein. Ein ruhiges Bild ergab sich auch aus Fernsehaufnahmen, die von der mazedonischen Seite der Grenze aus gedreht wurden. Polizisten sprachen mit Flüchtlingen, Busse standen bereit. Freiwillige Helfer müssen das Camp verlassen, andernfalls drohe eine Festnahme, berichten Augenzeugen auf Twitter.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Gestern hatten Augenzeugen dutzende Flüchtlinge beobachtet, die das Lager von Idomeni verliessen, um sich offenbar in der Region zu verstecken. Aktivisten hatten sie über die bevorstehende Räumungsaktion informiert. Andere Flüchtlinge, in ihrer Mehrheit Familien, fuhren freiwillig in andere Lager.

Drogen und Dirnen im «Ghetto»

Das improvisierte Flüchtlingslager wurde zunehmend zum Problemfall – Drogenhandel und Prostitution gehörten offenbar zur Tagesordnung. Ein Eisenbahnwaggon beispielsweise soll gemäss griechischen Medien als Bordell genutzt werden. Und aus Athen sollen Marokkaner anreisen, die die Flüchtlinge mit Haschisch versorgen. Das Camp wurde deshalb auch «Ghetto» von Idomeni genannt.

Zudem sperren radikalisierte Flüchtlinge die wichtige Eisenbahnverbindung Griechenlands nach Norden. Mehr als 300 Güterwaggons sind auf beiden Seiten der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien steckengeblieben. Die Importeure und Exporteure beklagen Verluste in Millionenhöhe. 

Auch kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen randalierenden Flüchtlingen und Polizisten. Vor wenigen Tagen benutzten Randalierer einen Zugwaggon als Rammbock, um einen Zaun einzureissen. Die griechische Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, um sie an der Überquerung der Grenze zu hindern.

In Idomeni hatte sich nach der stufenweise Schliessung der Balkanroute im Februar und dem Bau eines Zauns seitens Mazedoniens ein wildes Lager gebildet. Bis zu 15'000 Menschen harrten im März in der Region aus. Sie hofften, dass die Balkanroute wieder aufgemacht wird, damit sie nach Mittel- und Nordeuropa weiterreisen können. (rey/sda)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?