Strand-Drama in der Toskana
Der tote Held von Hinwil

Am Strand von San Vincenzo hockt Bäuerin Jessica R. (37) neben ihrem toten Mann im Sand. Samuel R. († 42) rettete seine Kinder aus dem Meer und starb vor Erschöpfung.
Publiziert: 18.10.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:20 Uhr
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Am Strand von Rimigliano in der Toscana liegt der Bauer Samuel R. tot im Sand. Seine Frau Jessica hat versucht, ihn wiederzubeleben. Jetzt wird sie von der örtlichen Polizei befragt.
Foto: Paolo Barlettani
Von Leo Ferraro, Romina Lenzlinger, Myrte Müller und Adrian Schulthess

Mit letzter Kraft schleppt der fünffache Familienvater Samuel R.* († 42) seinen Sohn Sohn (9) an den Strand. Setzt den Buben im seichten Wasser ab, damit er zu seiner Mutter Jessica (37) rennen kann.

Dann holt ihn das Meer. «Just als er das Kind losgelassen hatte, riss eine Riesenwelle den Mann von den Beinen», sagt Rosario Callari, Carabiniere von San Vincenzo (I). «Er tauchte unter, trieb ab, hinaus ins Meer.» Und ertrinkt.

Die Bauernfamilie R. aus Hinwil ZH verbringt die Herbstferien in Suvereto, einem Örtchen in der Toscana. «Den Buben zuliebe», sagt Samuels Vater (71) gestern zu BLICK. «Sie waren schon im letzten Jahr dort, ihnen hat es so gut gefallen. Jetzt haben sie den Toyota-Bus vollgepackt. Sie nahmen sogar einen Sack Kartoffeln und Fleisch mit.»

20 Jahre sind die gebürtige Peruanerin Jessica und der Bauernsohn Samuel R. schon verheiratet. «Sie ist eine ganz Gescheite», sagt ihr Schwiegervater. «Sie lässt sich gerade zur Gerichtsdolmetscherin weiterbilden.» Und sie hilft ihrem Mann auf dem Hof aus: Die Milchkühe hat Samuel aufgegeben und sich auf Schweine spezialisiert.

Mit den 5 Buben in die Ferien

Die Familie hat für die Herbstferien ein ganzes Haus gemietet. Sie braucht Platz: Fünf Buben zwischen 3 und 14 Jahren hat das Paar. Auch die polnische Praktikantin reist mit.

Den Dienstag verbringen sie an der Riva degli Etruschi, einem Strand südlich von San Vincenzo. Die Saison ist eigentlich schon vorbei. Niemand überwacht die Badegäste. Die Bauernfamilie packt das Picknick aus. Und für die Kleinen Spielzeug.

Die Wellen gehen hoch. Die Strömung ist stark. Die älteren drei Buben schüchtert das nicht ein: Sie wollen baden!

«Die Buben sind sehr lebhaft», sagt ihr Grossvater gestern auf dem Hof im Zürcher Oberland. «Und sie sind alle gute Schwimmer.» Trotzdem geraten sie in Schwierigkeiten: Plötzlich verlieren sie den Meeresboden unter den Füssen! «Der Vater sprang sofort ins Meer, um seine Kinder zu retten», sagt Carabiniere Callari. Die beiden Ältesten schaffen es mit letzter Kraft zum rettenden Ufer. «Der Neunjährige nicht», so Callari. Es ist 14.42 Uhr, als der Alarm bei der Polizei eingeht.

«Die Kinder standen unter Schock»

Das Wasser, das Samuel R. zurückreisst, ist zu mächtig. Lässt ihn nicht mehr los. «Er schluckte viel Salzwasser. Bis er bewusstlos wurde. Er ertrank erschöpft», sagt Polizeikommandant Callari.

Der älteste Sohn zerrt den Vater an Land. Als die Retter eintreffen, versucht Jessica R. noch, ihren Mann wiederzubeleben. Doch der Bauer stirbt. Die Sanitäter können nur noch seine Leiche zudecken.

«Die Kinder standen unter Schock», sagt Callari. «Wir haben die Familie bis Mitternacht betreut.»

Auch in Hinwil, dem Heimatort von Samuel R., sitzt der Schock tief. «Ich bin fassungslos. Sämi hat mir immer ausgeholfen, wenn es nötig war», sagt Bauer Christian Albrecht (45), der schon mit Samuel R. aufgewachsen ist. «Er war so ein gutmütiger Typ. So selbstlos. Auf dem ganzen Hof weiss niemand, wie es jetzt weitergehen soll ohne ihn.» Albrecht will nun der Familie seines Freundes unter die Arme greifen.

Samuel R. wurde gestern auf dem Friedhof von San Vincenzo aufgebahrt. Seine Frau Jessica und seine fünf Söhne lassen ihn auch im Tod nicht alleine. Sie verbringen den ganzen Nachmittag auf dem Friedhof. Geben sich gegenseitig Halt.

Der Leichnam soll morgen in die Schweiz transportiert werden. Trauriger kann die Heimkehr aus den Ferien nicht sein.

* Namen der Redaktion bekannt

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