Darum gehts
- Israelische Mutter lässt Sperma von totem Sohn entnehmen, um Enkelkind zu bekommen
- Spermaentnahme bis zu 72 Stunden nach dem Tod möglich
- In der Schweiz ist posthume Spermaentnahme verboten
Am 7. Oktober 2023 wurde der 28-jährige Yotam Haim von der Hamas verschleppt und als Geisel genommen. Nach 65 Tagen in Gefangenschaft gelang ihm und zwei weiteren Geiseln die Flucht. Sie wurden jedoch von israelischen Truppen irrtümlich erschossen, als sie aus dem Gazastreifen fliehen wollten.
Die Mutter des 28-Jährigen erklärte gegenüber «CNN»: «Aus allem kann etwas entstehen – wenn man es will». Und sie weiss auch, was entstehen soll. Ein Enkelkind. Als ihr toter Sohn den Weg nach Hause fand, hat sie dessen Sperma entnehmen lassen. Es sei immer sein Wunsch gewesen, Kinder zu haben. «Yotam wollte das wirklich – er hat viel darüber gesprochen», sagte sie. Der 28-Jährige war zum Zeitpunkt seines Todes alleinstehend. Wer das Kind austragen soll, ist also nicht klar. Wie «CNN» weiter schreibt, ist Yotam bisher die einzige israelische Geisel, deren Sperma nachweislich posthum geborgen wurde und deren Familie sich dafür einsetzt, damit ein Kind zu bekommen.
Kurzes Zeitfenster für Entnahme
Wie Peter Fehr, Facharzt FMH Gynäkologie Geburtshilfe bei der OVA-IVF Clinic Zürich sagt, ist dies durchaus möglich. Er ist spezialisiert auf Reproduktionsmedizin und gynäkologische Endokrinologie. Im Gespräch mit Blick erklärt er, wie ein solcher Eingriff aussieht.
«Bei einem operativen Eingriff wird Hodengewebe entnommen. In diesem Gewebe hat es bereits reife Spermien und Vorstufen davon», so Fehr. Der Eingriff muss jedoch so schnell wie möglich durchgeführt werden. «Bis zu 72 Stunden nach dem Ableben der Person ist ein Erfolg dieses Prozedere realistisch», sagt der Experte. Das Gewebe wird anschliessend in Stickstoff eingefroren und wenn es zur Anwendung kommt, aufgetaut und die Spermien entnommen. Damit werde dann eine Eizelle befruchtet und eine Frau kann den Embryo austragen.
Kein Thema in der Schweiz
In Israel sei diese Möglichkeit immer wieder Thema, sagt er. «Man hört, dass dies sehr liberal gehandhabt wird», so Fehr. In der Schweiz wäre so etwas undenkbar und eine Legalisierung habe auch noch nie zur Debatte gestanden, sagt er weiter.
Was in der Schweiz aber durchaus vorkomme, sei, dass junge Männer, die zum Beispiel an einer Krebserkrankung leiden «insbesondere Hodenkrebs», Sperma einfrieren lassen, sagt Fehr. Das ermögliche ihnen später, doch noch Kinder zeugen zu können.
«Es darf kein Sperma von Verstorbenen verwendet werden»
«Auch hier gibt es aber ganz klare Regeln», führt Fehr weiter aus. Sollte der Mann die Krankheit nicht überleben, muss die Probe vernichtet werden. «Es darf kein Sperma von Verstorbenen verwendet werden», stellt Fehr klar. Dasselbe gilt auch für Samenspender. Fehr räumt ein, dass dies aber etwas schwerer zu prüfen sei, da man mit diesen Männern nicht in regelmässigem Kontakt stehe.
Männer, die ihr eigenes Sperma für später einfrieren lassen, müssen zum Beispiel die Lagerungskosten begleichen, so bestehe ein Kontakt. «Samenspender, die ihr Erbgut anderen zur Verfügung stellen, werden erst nach fünf Jahren erneut kontaktiert und haben dann die Möglichkeit, ihre Spende für weitere fünf Jahre zur Verfügung zu stellen», so Fehr.
Keine Babys für Witwen
Ebenfalls verboten ist es, mittels künstlicher Befruchtung Kinder mit jemandem zu zeugen, der todkrank ist und allenfalls bald sterben könnte. «In der Schweiz müssen beide Elternteile die Kinder bis zur Volljährigkeit grossziehen können», sagt er. Ein von einem Paar erzeugter Embryo darf auch nur verwendet werden, wenn beide Teile dafür unterschreiben können. Dies gilt auch, wenn ein entsprechender Wille der verstorbenen Partei vorliege. «Das wird strengstens kontrolliert», sagt Fehr.