SonntagsBlick-Reporterin Dafina Eshrefi zu Besuch im päpstlichen Radiostudio
Eine Muslima im Vatikan

Hier werden News vom Papst in 47 Sprachen in die ganze Welt verbreitet. Ein österlicher Besuch bei «Radio Vatikan», dem Sender mit göttlicher Mission.
Publiziert: 21.04.2019 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2019 um 08:40 Uhr
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SonntagsBlick-Reporterin Dafina Eshrefi in der Redaktion des Radio Vatikans in Rom.
Foto: zVg
Dafina Eshrefi

Viele Wege führen nach Rom. Meiner führt direkt ins Studio von Radio Vatikan. Dem Radio, das in 47 Sprachen in die ganze Welt sendet und doch nur einen Schwerpunkt hat: Papst Franziskus.

Empfangen werde ich vom Priester Don David Gjugja (58), einem der vielen Chefredaktoren. «Sei gegrüsst, meine Teure!», sagt er. Wir stehen vor den Mauern der Vatikanstadt, direkt gegenüber der Engelsburg. «Was macht das Leben in der Schweiz?» – «Alhamdulillah, Gott sei Dank, ich kann mich nicht beklagen!», antworte ich. Wir lachen beide. Don Gjugja versteht meinen Humor, und ich fühle mich sofort bestens aufgehoben. Und das, obwohl Don Gjugia geweihter Priester ist und ich praktizierende Muslima.

Liebe zur Schweiz

Ich spüre sofort, dass uns mehr verbindet als uns trennt: Denn neben dem Humor teilen wir auch die gleiche Herkunft und die Liebe zur Schweiz. Und überhaupt: Als Albaner wissen wir, dass Religion keine todernste Sache sein darf. Aus seiner Begeisterung für die Schweiz macht der Priester denn auch kein Geheimnis: «Das Land ist wunderschön, und ich schätze die Schweizer und ihre Arbeitshaltung sehr», sagt er. Don Gjugia weiss, wovon er spricht. Er hat selber einmal ein Jahr in der Schweiz gelebt, in Uster ZH.

Bei aller Liebe: In Sachen Sicherheit vertraut der Vatikan nicht mehr allein auf die Gardisten aus der Schweiz. Erst nachdem der Priester einen Code in ein Kästchen getippt hat, öffnen sich die Tore des Vatikans für mich.

Ursprünglich aus dem Kosovo

Während ich in diese katholische Welt eintauche, öffnet mir der Priester ein Fensterchen in sein eigenes Leben: Don Gjugia kommt ursprünglich aus dem Kosovo und hat sich bereits mit 18 Jahren entschieden, Priester zu werden. Ob er diesen Entscheid je bereut hat, will ich wissen. «Jede Entscheidung im Leben hat Vor- und Nachteile», sagt er. Selbstverständlich habe er Phasen gehabt, in denen er sich fragte, ob aus ihm vielleicht doch besser ein Ingenieur, ein Kinderarzt oder ein Lehrer geworden wäre. «Das sind Momente, die vergehen.» Nun sei er von Beruf her Journalist. «Doch meine Berufung ist Gott.»

Wir gehen durch die Räumlichkeiten von Radio Vatikan. Papst Franziskus winkt uns lächelnd zu – leider nur von einem grossen Bild im Konferenzraum. Ich will wissen, wie oft Don Gjugia den Papst trifft. Er sagt: «Wann immer es vonnöten ist.»

Notwendig ist es immer dann, wenn der Papst will, dass die Albaner verstehen, was er sagt. Denn Don Gjugia ist auch der persönliche Dolmetscher des Papstes fürs Albanische. 2014 hat er ihn bei seinem Besuch in Albanien begleitet.

Fast schon lockere Stimmung

Und wie ist er denn, der Papst? «Er ist sehr offen, sehr herzlich, und es liegt ihm viel daran, die Menschen zu einen. Ganz unabhängig von ihrer Religion», sagt der Priester. Wir gehen weiter in die oberen Etagen. Überall schmücken Kreuze sowie Gemälde von Jesus und anderen biblischen Figuren die Wände. Nichtsdestotrotz: Es herrscht eine freundliche, fast schon lockere Stimmung. Wir gehen an der englischen Redaktion vorbei. Die Moderatorin winkt uns durch die Glaswand zu. Sie ist eine der 200 Journalisten, die für Radio Vatikan arbeiten.

Wir gehen weiter und gelangen zum Büro der albanischen Redaktion. Insgesamt vier Journalisten sind hier beschäftigt. Und zwar gendergerecht: zwei Frauen, zwei Männer, inklusive Priester Gjugja. Auch wenn Radio Vatikan eine göttliche Mis­sion hat, die Welt lässt den Sender nicht kalt. Zu Zeiten des Kosovo-Krieges sendeten Gjugja und sein Team täglich für eine Stunde eine Spezialsendung für die vertriebenen Albaner in den Flüchtlingscamps. Dabei wurden auch die Namen und der Aufenthaltsort von Flüchtlingen mitgeteilt. Damit trug das Radio wesentlich dazu bei, dass sich ­Familienangehörige wieder fanden, die während der Flucht auseinandergerissen worden waren.

Mit Blick direkt auf die Engelsburg

In den zwei kleinen Redak­tionsbüros der albanischsprachigen Abteilung stapeln sich Bücher und Dokumente. Durch das Fenster blickt man direkt auf die Engelsburg. Meine Gedanken schweifen ab. Ich weiss, dass Rom und die Christenheit nicht immer zusammengehört haben. Für meinen Besuch im Vatikan habe ich nachgelesen, dass Statthalter Plinius dem Kaiser Trajan damals Folgendes schrieb: «Vorläufig habe ich bei denen, die mir als Christen angezeigt wurden, folgendes Verfahren beobachtet. Ich fragte sie, ob sie Christen seien. Gestanden sie das, so legte ich ihnen diese Frage unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und drittes Mal vor. Blieben sie verstockt, liess ich sie hinrichten.»

Diese Zeiten sind zum Glück lange vorbei. Mit meinem freundlichsten Lächeln frage ich den Priester: «Wann darf ich denn nun den Papst treffen?» Don Gjugja ­lächelt zurück: «Das ist sehr schwierig. Aber so Gott will, wird dir auch das gelingen.»

Mein iPhone vibriert. Die ­Islam-App darauf erinnert mich daran, dass es Zeit ist für das Mittagsgebet. Ich traue mich dann aber doch nicht zu fragen, ob ich meinen Gebetsteppich im Vatikan auslegen darf. In diesem Sinne: Frohe Ostern!

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