Seit Jahren treiben sie ihr Unwesen. Doch plötzlich sind sie ein Thema, seit in den letzten Tagen gleich mehrere Schiffe mit Hunderten Flüchtlingen im Mittelmeer kenterten: Die Schlepper, die mit den Hoffnungen der Flüchtlinge ihr Geld verdienen.
«Das Problem ist fast unlösbar», sagt Enzo Serpotta, Staatsanwalt von Catania (I). «Die Schlepper auf den Booten sind selber kleine Fische», sagt er zu «SRF». Mohammed Ali Malek (27), der Kapitän des Unglücksschiffs, das mit 950 Passagieren den portugiesischen Frachter «King Jacob» rammte, ist so einer. «Das sind Handlanger, einige von ihnen selber Migranten.»
Der Tunesier und sein syrischer Komplize Mahmud Bikhit (26) wurden verhaftet. Die wahren Drahtzieher bekommen die Ermittler aber nicht zu fassen. «Die sind das Problem. Und die sitzen dort drüben, in den Maghreb-Ländern und in Somalia.»
Es kostet 2000 Dollar bis an Küste
Sie sind die Profiteure eines düsteren Geschäftszweigs: 34,5 Milliarden Franken werden mit dem Menschenschmuggel weltweit verdient – im Jahr.
Wer sich in Libyen auf ein Schlepper-Schiff in Richtung Italien wagt, hat bereits eine beschwerliche Reise hinter sich. Laut der «Global Initiative Against Transnational Organised Crime», einer in der Schweiz beheimateten Organisation, zahlen die Flüchtlinge mindestens 2000 Dollar, um überhaupt dorthin zu gelangen.
Manche haben sich oder ihre Familien hoch verschuldet, um das Geld zu beschaffen. Andere müssen unterwegs arbeiten, um sich die nächste Etappe der jahrelangen Reise leisten zu können, wie der britische «Independent» berichtet.
Auf dem Lastwagen durch die Sahara
Unterwegs gibt es eine Reihe von Profiteuren: So gibt es zum Beispiel Tuareg-Stämme, die lastwagenladungsweise Flüchtlinge durch die Sahara und die Sahelzone schmuggeln. In den Grenzstädten von Niger gibt es illegale Reisebüros, in denen man Plätze in den Lastern buchen kann. Für 300 Dollar. Die Fahrer sind dabei wenig zurückhaltend, wenn es darum geht, überzählige Passagiere loszuwerden - laut Augenzeugenberichten werden unerwünschte Fahrgäste schon mal in der Wüste ausgesetzt oder erschossen.
Wer es tatsächlich bis an die libysche Küste geschafft hat, muss in bewachten Lagern warten und zahlt noch einmal zwischen 1000 und 2500 Dollar für einen Platz auf einem der klapprigen Boote, das die Flüchtlinge übers Mittelmeer bringen soll.
Auch hier werden die Reisenden betrogen: Teilweise werden ihnen tagsüber Boote gezeigt, die sie angeblich nach Europa bringen sollen – nur damit sie nach der Bezahlung auf viel schlechtere Schiffe gebracht werden.
Aufpreis für Schwimmwesten
Die Schlepper pressen die Zitrone dabei vollständig aus. Auf den Schrott-Schiffen wird für «Extraleistungen» ein Aufpreis verlangt: Eine Schwimmweste kostet 200 Dollar, ein Platz in der «1. Klasse» – auf dem Oberdeck statt im Rumpf – macht noch einmal 300 Dollar.
Das Problem, sagt der italienische Staatsanwalt Serpotta, liegt dabei auch in der instabilen politischen Lage in den nordafrikanischen Ländern. In Libyen und Ägypten fehlen den europäischen Behörden die Ansprechpartner. «In Tunesien haben wir Partner. Aber dort haben wir nur wenige Flüchtlinge», sagt er.
«Wir sind erschöpft»
Und so bleibt den italienischen Behörden vorläufig nur eins: «Mobiltelefone abhören, Schlepper identifizieren, festnehmen.» Doch es werden in den letzten zwei, drei Jahren immer mehr. «Auf einmal tauchen Boote mit Hunderten von Flüchtlingen auf.»
Jetzt sei es an der Zeit, dass auch der Rest Europas hilft, sagt der italienische Admiral Felicio Angrisano der italienischen Zeitung «La Repubblica». Täglich seien 2000 Personen auf See und am Festland im Einsatz, um die Flüchtlinge zu versorgen. Marine, Küstenwache und Hafenbehörden seien seit Wochen arg unter Druck. «Wir sind erschöpft, wir sind mit einem wahren Ansturm konfrontiert und am Ende unserer Kräfte.» (eg)