Die neuste Masche der gewissenlosen Schlepper: Statt in kleine Boote pferchen sie die Flüchtlinge in schrottreife Frachter. Auf offener See verlässt die Besatzung den Kahn oder versteckt sich – und lässt das Geisterschiff führungslos auf die europäische Küste zusteuern.
Letzten Dienstag gelangten italienische Seeleute mit Helikoptern auf die Blue Sky M. Nur neun Kilometer vor dem Festland konnten sie verhindern, dass der Kahn mit 770 Flüchtlingen zerschellte. Das gleiche menschenverachtende Spiel wiederholte sich zwei Tage später mit dem Frachter Ezadeen.
Kapitän der Blue Sky M war der Syrer Sarkas Rani (36). Er packte gegenüber der Zeitung «La Repubblica» aus. Die Schlepper hatten ihn für 15'000 Franken angeheuert und ihm gestattet, seine ganze Familie mitzunehmen.
Rani lag vor der türkischen Hafenstadt Mersin vor Anker. Mit kleinen Booten wurden während vier Tagen die Flüchtlinge gebracht. Kontrollen von den türkischen Behörden gab es nie. Rani hatte den Auftrag, auf offener See den Autopiloten einzuschalten und sich unter die Flüchtlinge zu mischen. Sein Pech: Passagiere erkannten ihn und übergaben ihn den italienischen Behörden. Auf der Ezadeen vermummte sich die Besatzung, bevor sie das Schiff führerlos vor Italien treiben liess. Es gelang den Männern, unerkannt mit den Flüchtlingen das Schiff zu verlassen.
Im Schnitt knöpfen die Schlepper einem Flüchtling 5500 Franken ab. Gruppen ab 25 Personen erhalten 1000 Franken Rabatt. Mit dem Geld schmieren die Menschenhändler Grenzposten und kaufen Wegwerf-Kähne, die in dieser Grösse schon ab 100'000 Franken zu haben sind – oft in der Türkei. Pro Fahrt verdienen die Schlepper Millionen.
Nun macht Italien Druck auf die EU, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. «Schlepper sind skrupellos», sagt Innenminister Angelino Alfano. «Um sie zu bekämpfen, müssen wir unsere Kräfte vereinen.»