Sie hat in Hannover (D) einen Polizisten abgestochen
IS-Teenie Safia (16) steht vor Gericht

Im Februar verletzte die Deutsch-Marokkanerin Safia S. einen Polizisten lebensgefährlich. Handelte sie im Auftrag des IS? Oder wusste sie nicht, was sie tut? Das soll beim Prozess herauskommen, der heute begann.
Publiziert: 20.10.2016 um 21:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:49 Uhr
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Die Angeklagte Safia S.
Foto: Polizei

Es ist ein Freitag im Ferbruar dieses Jahres. Zwei Polizisten kontrollieren im Hauptbahnhof Hannover ein Teenie-Mädchen und fragen sie nach ihrem Ausweis. Plötzlich zieht die Jugendliche ein Gemüsemesser und sticht einem Beamten (34) in den Hals – er muss mit einer fünf Zentimeter tiefen Schnittwunde operiert werden.

Nun steht die mittlerweile 16-Jährige Safia S. in Celle vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Die Tat vom 26. Februar 2016 soll eine «Märtyrer-Operation» für den Islamischen Staat (IS) gewesen sein. Falls das erwiesen wird, wäre es der erste IS-Terrorakt auf deutschem Boden.

Vom Prozess bekamen Journalisten nur einige Formalitäten mit – nach zwanzig Minuten wurden sie gebeten, den Saal zu verlassen. Der Prozess, der bis im Januar dauern könnte, findet wegen des zarten Alters der Angeklagten hinter verschlossenen  Türen statt. Es soll mehr darum gehen, Safia zu erziehen, als sie zu bestrafen. Dem IS-Mädchen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Sie erfährt vor Gericht von ihrer Doppelbürgerschaft

«Soll ich Safia und du sagen?», fragt der Richter die junge Angeklagte zu Beginn des Prozesses. Sie antwortet: «Ja, Safia und du reicht». Kurz darauf erfährt die Jugendliche, dass sie Doppelbürgerin ist. «Du hast die deutsche und die marokkanische Staatsbürgerschaft?», fragt der Richter. Sie antwortet: «Nein, nur die deutsche». Der Richter korrigiert sie und fügt hinzu: «Möglicherweise weisst du davon nichts.»

Saifas Verteidiger Mutlu Günal findet, die Justiz fahre zu schwere Geschütze auf: «Ich gehe derzeit fest davon aus, dass das Verfahren mit einem Freispruch endet», sagt er zur «Süddeutschen Zeitung». Er glaubt, Safia habe keine Einsicht in das Unrecht ihrer Tat gehabt. Ihre Reife entspreche der einer 13-Jährigen – somit wäre sie strafunmündig. Das Gericht hat ein psychiatrisches Gutachten über das Mädchen in Auftrag gegeben. Ein weiteres Argument des Verteidigers: Die Schülerin habe sich mit einem Brief aus der Haft bei dem Opfer entschuldigt.

Genau um diese Frage dreht sich die Verhandlung: Hat Safia S. die Tat geplant und im direkten Auftrag des Islamischen Staates gehandelt oder wusste sie gar nicht, was sie tut? Dafür wird ihr Leben akribisch unter die Lupe genommen.

Vom Muslim-Maskottchen zur Terroristin

Fest steht: Safia S. wurde schon in jungen Jahren zum Maskottchen der deutschen Salafisten. Bereits als Neunjährige taucht sie einem Propagandavideo mit dem radikalen Prediger Pierre Vogel auf – er nennt sie «Schwester Safia». In Chats soll sie den Tag der Attentate von Paris als «Lieblingstag» und die Terroristen als «Löwen» bezeichnet haben.

Entscheidend dürfte ihre Reise nach Istanbul vom 22. Januar 2016 gewesen sein. Ihr Reiseziel war mutmasslich der IS in Syrien. Doch bevor sie soweit kam, holte sie ihre Mutter zurück. Dennoch bleibt die Frage: Wie eng stand sie im Kontakt zu den Terroristen und wie stark war deren Einfluss auf sie?

Mit auf der Anklagebank sitzt Hasan K. (20). Der Deutsch-Syrer soll gewusst haben, dass Safia in Deutschland eine «Märtyrertat» geplant habe. Weil er nicht zur Polizei ging, muss er sich nun mit ihr vor Gericht verantworten. Hasan K. steht auch unter Verdacht, mit den Terrorplänen zu tun zu haben, die im November 2015 zur Absage des Fussball-Spiels Deutschland gegen die Niederlande in Hannover geführt haben. Vor einem Monat ist er geflohen, wurde aber in Griechenland gefasst und rechtzeitig zum Prozessbeginn nach Deutschland ausgeliefert. (rey)

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