Für die einen gibt es wohl nichts Herzzerreissenderes als das Schluchzen eines Babys – für die anderen nichts Nervigeres. In beiden Fällen ist klar: Absichtlich will man die kleinen Schreihälse nicht zum Weinen bringen. Ganz anders sieht das in Japan aus. Am Wochenende wetteiferten Sumo-Ringer im buddhistischen Sensoji-Tempel darum, welcher Wonneproppen am lautesten schreit.
Kinderhasser sind die Japaner nicht – im Gegenteil. Das jährliche Nakizumo-Festival geht auf eine 400 Jahre alte Tradition zurück. Ein japanisches Sprichwort sagt «Naku ko wa sodatsu!» – «Ein weinendes Baby wächst am schnellsten!» Weinen bringt also Wachstum und Gesundheit und das Geschrei soll auch noch böse Geister vertreiben.
Das lauteste Geschrei gewinnt
Ob die japanischen Mütter und Väter jedes Mal vor Freude Luftsprünge machen, wenn ihr Nachwuchs weint, sei dahingestellt. Die Sumo-Ringer am Nakizumo tun es auf jeden Fall. Zu zweit betreten die korpulenten Männer in ihrem windelähnlichen Beinkleid den Ring, jeder von ihnen hält ein Baby, das in den Armen der Kampfsportler besonders zerbrechlich aussieht.
Grimassen und Masken machen Angst
Dann schneiden die Sumos Grimassen, machen komische Geräusche, schütteln die Kinder leicht hin und her. Lässt das die Kleinen unberührt, zieht sich der Schiedsrichter eine angsteinflössende Maske über und schreit die Babys an.
Dasjenige, das als erstes zu weinen beginnt, gewinnt – weinen beide gleichzeitig, ist das Lautere der Sieger. Da lässt sich nur noch sagen: Gut gebrüllt, Baby. (lex)