Sicherheitsexperte über Terror-Gefahr an Europas Stränden
«Es geht darum, Angst zu schüren»

IS-Terror an europäischen Badestränden? Strategie- und Sicherheitsexperte Albert Stahel sagt gegenüber BLICK, wie real die Gefahr ist.
Publiziert: 19.04.2016 um 17:59 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:30 Uhr
Kalaschnikow in der rechten, Sprengsatz in der linken Hand: Im Juni 2015 richtete Seifeddine Yacoubi am Strand von Sousse in Tunesien ein Blutbad an.
Foto: Skynews
Gregory Remez

Die jüngsten Berichte des italienischen Geheimdienstes lassen Europa aufhorchen. Nach Fussballstadien, Flughäfen, Metrostationen und Nachtlokalen soll die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nun auch europäische Strände im Visier haben.

Konkret gefährdet seien die Küstenregionen von Italien, Spanien und Südfrankreich. Attentäter sollen als fliegende Händler dicht bevölkerte Strände mit automatischen Waffen angreifen, Sprengsätze zwischen den Liegestühlen zünden.

Sicherheitsexperte Albert Stahel (73).

Terror an Touristenstränden? Im vergangenen Sommer wurde dieses Horror-Szenario bereits in Tunesien wahr. Unvergessen bleiben die verstörenden Bilder, als ein tunesischer Student am Strand von Sousse mit einem Sturmgewehr um sich schoss und 38 Menschen tötete.

«Der IS ist kein irrationaler Akteur»

Könnte sich das Gleiche nun auf der gegenüberliegenden Mittelmeerküste wiederholen? Sicherheitsexperte und Professor der Universität Zürich Albert Stahel relativiert das Gefahrenpotenzial für Europas Feriendestinationen. «Der IS ist kein irrationaler Akteur, er geht strategisch vor», sagt der 73-Jährige zu BLICK. «Dominierend ist bei den Dschihadisten das Vergeltungsdenken. Gefährdet sind deshalb in erster Linie Länder, die sich an der internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat beteiligen.» Namentlich sind das Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland, Jordanien, Kanada, Australien und die USA.

Laut Stahel geht es den IS-Terroristen zudem nicht immer primär um gezielte Anschläge, sondern auch darum, Angst zu schüren. «Das Verbreiten von Angst ist ein wichtiger Bestandteil der IS-Propagandamaschine. Dass es zu Terroranschlägen auf Strandpromenaden kommt, kann man zwar nicht ausschliessen, doch ich halte das für eher unwahrscheinlich», sagt Stahel.

Frankreich bleibt Top-Ziel

Interessanter seien für Terroristen nach wie vor Objekte, wo viele Menschen auf einem Fleck zusammenkommen, etwa Restaurants oder Cafés – wie bei den Anschlägen von Paris. Paris und der Rest Frankreichs bleiben laut Stahel dann auch weiterhin das Top-Ziel der IS-Terroristen, während Länder wie Spanien, die nicht aktiv Krieg gegen das Kalifat führen, generell weniger gefährdet sind.

Auch der Warnung der Italiener, dass fliegende Händler, die wegen ihrer Tätigkeit regelmässig und völlig legal zwischen Europa und Afrika pendeln, nun vermehrt Anschläge ausüben sollen, steht Stahel kritisch gegenüber. «Man darf nicht vergessen, dass Selbstmordanschläge nicht von Laien ausgeübt werden können. Potentielle Attentäter müssen wissen, wie man Sprengstoff herstellt und ihn einsetzt. Das ist nicht so einfach, dazu müssen sie geschult werden», sagt der Sicherheitsexperte.

Europäische Behörden in Alarmbereitschaft

Ist also alles reine IS-Propaganda? Hat der italienische Geheimdienst mit seiner Warnung überreagiert? Stahel: «Die Geheimdienste in ganz Europa sind derzeit in höchster Alarmbereitschaft. Nehmen wir nur mal die belgischen Behörden: Die wissen, dass sie sich nach den Versäumnissen in Brüssel keinen Fehler mehr leisten können. Da kann es schon zu einer Welle der Überreaktionen kommen.»

Noch ist nicht ganz klar, wie konkret die Terrorgefahr für Europas Strände tatsächlich ist. Eine offizielle Bestätigung der italienischen Behörden blieb bisher aus. Die italienische Tageszeitung «Corriere della sera» dementiert in einem Bericht gar, dass der italienische Geheimdienst über Informationen zu Anschlagplänen des IS in Europa verfügt.

Fest steht laut Stahel aber: Auch wenn Anschläge auf Badestrände für Selbstmordattentäter weniger attraktiv sind. Die Gefahr von Amokläufen wie am Strand von Sousse gibt es auch in Europa – jederzeit.

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