Seit vier Monaten kämpft der Italiener Massimo Allievi (59) gegen das Coronavirus
«Die Ärzte hatten mich schon zweimal aufgegeben»

So lange hat noch niemand wegen Covid-19 leiden müssen. Massimo Allievi wurde beatmet und intubiert, lag über zwei Monate im künstlichen Koma – und noch immer ist der Frührentner nicht über den Berg.
Publiziert: 07.07.2020 um 18:57 Uhr
Myrte Müller

Die Stimme ist schwach, der Atem dünn. Immer wieder schütteln Massimo Allievi (59) aus Varese (I) heftige Hustenanfälle. Tabletten lindern ein wenig die Schmerzen in der Brust. Auch wenn der ehemalige Typograf nur langsam und mit kleinen Schritten seinen Rollator durch die Gänge des Spitals schiebt, weiss jeder auf der Station: Kaum jemand hat so viel Stärke und Willenskraft wie dieser Patient.

Seit sage und schreibe 113 Tagen leidet der Italiener an einer schweren Covid-19-Erkrankung. Das tückische Virus tobt in seinem schmächtigen Körper – und lässt keine Qual aus. Massimo Allievi wird beatmet, mit Kehlschnitt intubiert, ins künstliche Koma versetzt. «Zweimal hatten die Ärzte mich schon aufgegeben», sagt Allievi. Doch der tapfere Italiener will leben – und kämpft mit aller Kraft.

Zwei Monate im künstlichen Koma

Das Martyrium beginnt am 12. März 2020. «Ich hatte 40 Grad Fieber», erzählt Massimo Allievi, «zuerst nahm ich ein Grippe-Mittel. Als das Fieber nach sechs Tagen nicht besser wurde, ging ich ins Spital nach Saronno». Dort erkennen die Ärzte sofort, was los ist. «Mir wurde ein Beatmungshelm aufgesetzt», sagt der Corona-Patient weiter, «später wurde ich intubiert. Ich lag zwei Monate im Koma.»

Niemand hat so lange mit Corona kämpfen müssen wie Massimo Allievi (59). Nach 113 Tagen schwerem Krankheitsverlauf ist der Italiener noch immer in stationärer Behandlung.
Foto: zVg
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Massimo Allievi wird mit Morphium und anderen schweren Medikamenten bombardiert. «Ich hatte Alpträume und Halluzinationen», erinnert sich der Frührentner mit Grauen, «als ich aufwachte, sah ich die ganzen Schläuche aus meinem Körper ragen. Ich hatte zwei Drainagen, eine für jeden Lungenflügel. Ich fühlte mich wie eine Maschine.»

Massimo Allievi hält durch. Er darf schliesslich die Intensivstation verlassen, kommt auf die Covid-Station. Nach insgesamt 95 Tagen nimmt er Abschied vom Ärzte- und Pflegeteam. Es ist seine neue Familie geworden. «Sie waren sehr professionell und sehr nett», sagt der Corona-Krieger. Doch über dem Berg ist Massimo Allievi noch immer nicht.

In der Reha reisst die rechte Lunge

Nach dem Covid-Spital kommt er in die Reha. Nur fünf Tage ist er dort. Denn bei der Physiotherapie reisst die rechte Lunge. «Ich hatte dort ein Loch und musste wieder in ein Spital». Diesmal ist es jenes in Varese. Und der Kampf geht weiter. «Noch vor dem Frühstück gibt es Tabletten und Injektionen. Es folgen Physiotherapien. Dann wieder Tabletten», sagt Massimo Allievi. Heute beispielsweise habe er einen Erstickungsanfall gehabt und heftigen Husten.

Was ebenso schmerzt: Seit 113 Tagen darf Massimo Allievi seine langjährige Lebensgefährtin nicht mehr sehen. «Wir haben nur über Video-Chats mit dem Smartphone Kontakt», sagt der Corona-Patient traurig, «selbst wenn sie frische Wäsche bringt, darf sie nicht ins Gebäude. Aber das ist ja in allen Spitälern so.»

Manchmal sei es schon schwer. «Wenn ich dann den Mut verliere, dann reisse ich mich zusammen», sagt Allievi, «Ich lasse mich nicht unterkriegen und will aus dieser Situation endlich raus.»

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