Das Interview mit Frontex-Direktor Fabrice Leggeri (48) in der «Welt» schlug gestern hohe Wellen. Der Chef der EU-Grenzschutzagentur kritisierte darin die Rettungsaktionen von Flüchtlingen der NGOs auf dem Mittelmeer (BLICK berichtete).
Diese würden durch ihr unkoordiniertes Handeln und das Annähern an die libysche Küste den Schleppern in die Hände spielen. Leggeri forderte eine Revision des aktuellen Rettungskonzepts.
«Man greift uns in letzter Zeit häufiger an»
Nun kommt die Antwort von Seiten des Schweizer NGO-Ablegers Watch the Med Alarmphone. Die Organisation hat ein Alarmtelefon für Flüchtlinge auf der Mittelmeer-Überfahrt eingerichtet. Sie bekommen täglich Notrufe von Menschen, die sich in Lebensgefahr befinden. Das Alarmphone arrangiert dann entsprechende Hilfe.
Simon Sontowski (33), Mitglied des Alarmphones, hat klare Worte für den Frontex-Direktor: «Es handelt sich um eine sehr perfide Delegitimierungs-Strategie.» Die neuste Konfrontation der EU-Grenzschutzagentur sei aber nicht wirklich überraschend: «Man greift uns in letzter Zeit häufiger an.»
Das sei hochproblematisch: «Man kann nicht sagen, dass die Leute die Reise nicht antreten würden, wenn wir nicht da wären.» Seit 2015 sei ein regelrechtes Rettungsvakuum aufgetreten und es habe viele Tote gegeben. Das Watch the Med Alarmphone wollte nicht tatenlos zuschauen.
«Fähren statt Frontex»
Aus institutioneller Logik versteht Sontowski das Handeln der Grenzschutzagentur: «Ihre Aufgabe ist schliesslich, die Flüchtlingszahlen herunterzudrücken.» Doch das Vorgehen sei fragwürdig: «Der Plan, mit Libyen zusammenzuarbeiten sowie die Leute direkt in ihre Heimatländer zurückzuschicken, ist utopisch.»
«Man bemerkt ihre Hilflosigkeit und ihren Unwillen, dort zu helfen», sagt der 33-Jährige. Doch sich aus der Region zurückzuziehen sei eine bewusste Entscheidung, sterben zu lassen. Das Watch the Med Alarmphone fordert deshalb: «Fähren statt Frontex.» Sie wollen die Öffnung von sicheren und legalen Fluchtwegen nach Europa vorantreiben, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden.