In Hongkong prallen nicht nur Ideologien aufeinander, sondern auch Waffensysteme. Nach wochenlangen (meist friedlichen) Demonstrationen ist die Lage in der chinesischen Sonderverwaltungszone am Wochenende vollends eskaliert. Im Zentrum der Millionenmetropole kommt es immer wieder zu heftigen Zusammenstössen zwischen der Polizei und Protestlern.
Besonders rund um die Technische Universität sind die Strassen zu einem Schlachtfeld mutiert. Pflastersteine, brennende Polizeiwagen. Tränengas liegt in der Luft. Dazu hallen immer wieder Schüsse durch die Hochhausschluchten. Und: mittlerweile schiessen die Einsatzkräfte nicht mehr nur mit Gummigeschossen, sondern auch mit scharfer Munition.
Das Uni-Gelände als Zufluchtsort
Auf dem Campus haben sich bis zu 1000 Studenten verbarrikadiert. Die meisten sind vermummt – aus Angst vor der Polizei, aus Angst vor Repressalien. Auf Bannern protestieren sie gegen die prochinesische Regierung Hongkongs. Fordern Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte. Dazwischen zahlreiche Verletzte, die notdürftig von Kommilitonen medizinisch versorgt werden.
Der Kampf der Studenten ist militanter geworden. Einige sagen: «Es ist kein normaler Protest mehr, es ist eine Frage von Leben und Tod!» In den Hörsälen basteln sie an eigenen Waffen und schiessen mit Pfeil und Bogen auf die Einsatzkräfte. Das Schwimmbecken der Universität ist zum Test-Labor für Molotow-Cocktails umfunktioniert worden – Farb-Wasserbomben explodieren auf dem Beckengrund.
Unterstützer ausserhalb der Uni haben Holz-Katapulte gebaut, die als Mega-Wurfgeschosse von Splittergruppen durch die Strassen getragen werden. Regenschirme werden schon lange nicht mehr als stilles Zeichen in die Höhe gereckt. Sie dienen nur noch dazu, die Wasserwerfer- und Tränengas-Attacken der Einsatzkräfte abzuwehren.
Auf den Strassen Sondereinheiten und chinesische Späher
Die Gewalteskalation hat auch die Machthaber aufgeschreckt, Beamte wurden von Pfeilen getroffen und verletzt. In den Strassen patrouillieren seitdem chinesischen Spezialkräfte, meist in Zivil. Sie besprühen die Protestierer mit blauer Farbe, um sie so leichter als Störer ausmachen zu können. Die örtlichen Sondereinheiten wurden an sämtliche Brennpunkte verlagert – schwer bewaffnet mit Hightech-Mitteln.
Die Geheimwaffe: Eine mobile Sound-Kanone, die schrille und tiefe Töne in Richtung der Demonstranten senden – und den Gegner so für kurze Zeit kampfunfähig machen. Geht ein Protestler zu Boden, wird er umgehend von den Einsatzkräften aufgelesen und ins Gefängnis gekarrt.
Aktivist warnt vor Blutbad
Für Hongkong-Aktivist Joshua Wong (23) ist die Lage ernster denn je. Er schlägt via Twitter Alarm: «Die Zeit läuft ab! Wird die Welt einem Blutbad zuschauen oder das skrupellose Regime stoppen?»
Immerhin: Die Regierung von Hongkong hat zugesichert, dass man dem Roten Kreuz Zugang zur Uni gewähren wird. Auch vor dem Obersten Gericht mussten die Machthaber gestern erste Abstriche machen. Ein Vermummungsverbot wurde als verfassungswidrig wieder einkassiert. Auch die anstehende Kommunalwahl soll am Sonntag verschoben werden – aufgrund der «aktuellen Lage», wie ein Regierungskader gestern sagte.