Darum gehts
- Russische Drohnen über Polen abgeschossen. Anwohner in Grenznähe besorgt
- Polnischer Reporter schildert Situation im betroffenen Dorf Wyryki
- 20 iranische Schahed-Kampfdrohnen von Russland Richtung Polen geschickt
Szymon Piegza (33) lag am Mittwochmorgen noch im Bett, als ihn die Nachricht erreichte. Der Reporter bei Polens grösstem Newsportal «onet.pl» nahm sofort das Telefon in die Hand und rief seinen Chef an. Es war Zufall, dass Piegza sich gerade in Lublin, im Osten Polens, aufhielt.
In der Nacht auf Mittwoch hat die russische Armee gegen 20 iranische Schahed-Kampfdrohnen nach Polen geschickt. Ziemlich sicher: Bei so vielen Geschossen handelt es sich nicht mehr um eine Fehlleitung, sondern um Absicht. Der polnischen Abwehr ist es gelungen, die Drohnen zu erkennen und abzuschiessen.
«Strassen waren durch Polizei und Militär blockiert»
«Wir entschieden uns sofort, nach Wyryki zu fahren», sagt Piegza zu Blick. Eine der abgeschossenen, russischen Drohnen schlug dort in ein Haus ein. Nur gerade 400 Menschen leben in diesem Dorf, das jetzt internationale Aufmerksamkeit erhält.
«Wyryki befindet sich nur gerade 16 Kilometer von der polnisch-ukrainischen Grenze entfernt», sagt der erfahrene Polit- und Investigativreporter. «Es war nicht einfach, da hinzukommen. Viele Strassen sind durch Polizei und Armee blockiert.» Die Absturzstelle, ein Haus in einer ruhigen Strasse, ist nicht einmal für Journalisten zugänglich.
Grosse Angst vor einem neuen Krieg
«Die Menschen sind verängstigt», schildert Piegza seine Eindrücke aus Wyryki. «Diese Menschen sind sich Flugzeuge über ihren Köpfen gewohnt – aber so etwas haben sie noch nie erlebt. Es waren so viele Flugobjekte und ein Riesenlärm.» Mehrere Menschen seien durch die abgeschossenen Drohnen obdachlos geworden. «Aber die Solidarität unter den Bewohnern ist gross.»
Die Angst schlage mittlerweile um sich im Grenzgebiet: «Die Einwohner haben grosse Angst. Angst, dass ein Krieg zwischen Polen und Russland möglich ist. Sie wollen zwar glauben, dass es nicht noch einmal so weit kommt. Aber sicher sind sie sich nicht mehr.»
Internationale Antwort auf den Vorfall ist von grosser Bedeutung
Auch für Piegza und seine Kollegen aus dem polnischen Journalismus ist diese Situation ein Novum. Zufällig habe er noch am selben Tag ein Meeting mit ukrainischen Journalisten gehabt. In Sachen Krisenberichterstattung müssen sich er und seine Kollegen von den ukrainischen Medien eine Scheibe abschneiden. «Sie wussten lange vor uns von den Drohnen und waren gewarnt. Ich weiss nicht, ob Polen bereit wäre für so etwas.»
Piegza wirkt im Gespräch mit Blick nicht so, als würde er den Drohnen-Zwischenfall mit Russland auf die leichte Schulter nehmen. «Wichtig ist jetzt die politische Antwort darauf. Die Reaktion der polnischen Regierung, der europäischen Staats- und Regierungschefs sowie des US-Präsidenten auf den Vorfall sind entscheidend.» Denn Polen sei in dieser Sache nicht alleine: «Das ist eine Frage, die ganz Europa miteinander beantworten muss.»