Vor dem Obersten Gericht in Madrid beginnt am heutigen Dienstag der mit Spannung erwartete Prozess gegen zwölf katalanische Separatistenführer. Der katalanische Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont bezeichnet das Verfahren von seinem Exil aus als «Riesenschande».
Die spanische Staatsanwaltschaft wirft den Politikern und Aktivisten, von denen die meisten seit mehr als einem Jahr in Haft sind, im Zuge des Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vor. Unter den Angeklagten sind drei Frauen.
25 Jahre Haft gefordert
Für den früheren Vizepräsidenten der Region, Oriol Junqueras, fordert die Behörde 25 Jahre Haft, für viele der anderen Angeklagten – darunter ehemalige katalanische Minister und zwei Anführer der Separatistenbewegung – beantragte sie zwischen 16 und 17 Jahre Gefängnis.
Insgesamt sollen fast 600 Zeugen verhört werden, so etwa der konservative Ex-Ministerpräsident Mariano Rajoy, in dessen Amtszeit das Referendum fiel. Das Verfahren wird Berichten zufolge mindestens drei Monate dauern.
Puigdemont kritisiert aus dem Exil
Der frühere Regionalpräsident Carles Puigdemont, der sich in Belgien ins Exil abgesetzt hat, ist von dem Prozess nicht betroffen. Die spanische Justiz führt keine Prozesse in Abwesenheit des Angeklagten. In einem am Dienstag veröffentlichten Tamedia-Interview kritisierte Puigdemont das Verfahren scharf. «Der ganze Prozess ist eine Riesenschande.»
Es sei unakzeptabel, dass das Gericht die Organisation eines Referendums über die Selbstbestimmung als kriminelle Tat einstufe. Weder 25 Jahre noch ein Jahr Gefängnisstrafe seien dafür angemessen. Das internationale Recht gebe allen Völkern das Recht auf Selbstbestimmung. Spanien habe diese Bestimmung anerkannt, aber nie umgesetzt. Die Kläger in Madrid berufen sich bei dem Prozess auf den Schutz der Verfassung.
«Es ist Zeit für eine Lösung»
Puigdemont gab sich im Interview weiter überzeugt, dass die Unabhängigkeit Kataloniens noch zu seinen Lebzeiten zustandekomme. «Wir sind in einer Übergangsphase, wir werden weiterkämpfen und die Entscheide an den Urnen akzeptieren. Das Problem Katalonien existiert seit 300 Jahren. Es ist Zeit für eine Lösung.»
Der frühere Magistrat stellt sich persönlich auf ein jahrelanges Exil ein. «Das kann sein, ich bin darauf vorbereitet», sagte er weiter. Er führe täglich Videogespräche mit Mitgliedern seiner Familie und erhalte alle drei Wochen Besuch. «Ich habe das Glück, meine Arbeit hier in Brüssel in Freiheit machen zu können, dank der Rechte, die mir die EU garantiert.»
Unabhängigkeitsbefürworter in der Konfliktregion haben bereits zu neuen Demonstrationen und Protestaktionen aufgerufen. Kundgebungen sind in den nächsten Wochen nicht nur in Barcelona und anderen katalanischen Städten, sondern auch in Brüssel und deutschen Städten wie Berlin, Hamburg und Köln geplant. (SDA)
Der Streit um die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens stürzte Spanien vor rund anderthalb Jahren in eine Staatskrise. Vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid hat am Dienstag der Prozess gegen führende Politiker der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung begonnen. Ein Überblick über den Verlauf der Ereignisse:
2006
- 30. März: Das von Sozialisten dominierte Parlament in Madrid verabschiedet eine neue Autonomiecharta für Katalonien. Die Region im Nordosten Spaniens erhält mehr Vollmachten im Steuer- und Justizbereich, die Katalanen werden als «Nation» bezeichnet.
- 31. Juli: Die oppositionelle konservative Volkspartei (PP) legt gegen die Autonomiecharta Beschwerde ein.
2010
- 28. Juni: Das spanische Verfassungsgericht gibt der PP-Beschwerde teilweise Recht. Es erkennt den Katalanen den Status einer «Nation» ab und stuft den Hinweis auf Katalanisch als «bevorzugte» Amtssprache als verfassungswidrig ein.
2012
- 11. September: Auf dem Höhepunkt der spanischen Wirtschaftskrise gibt es in Barcelona Massendemonstrationen für die Unabhängigkeit. Die Proteste am katalanischen «Nationalfeiertag» (Diada) wiederholen sich in den Folgejahren.
2014
- 9. November: Kataloniens Regionalpräsident Artur Mas lässt trotz eines Verbots des Verfassungsgerichts ein rechtlich nicht bindendes Unabhängigkeitsreferendum abhalten. Die Wahlbeteiligung liegt bei 37 Prozent. Davon stimmen gut 80 Prozent für Kataloniens Unabhängigkeit.
2015
- 27. September: Bei der Regionalwahl in Katalonien gewinnt das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter die absolute Mehrheit.
2016
- 10. Januar: Der Unabhängigkeitsbefürworter Puigdemont wird Regionalpräsident. Er bereitet die Loslösung von Spanien vor.
2017
- 1. Oktober: Gegen den Widerstand der Zentralregierung und der spanischen Justiz lässt Puigdemont in Katalonien ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten. Die spanische Polizei geht gewaltsam gegen Wähler und Demonstranten vor, es gibt hunderte Verletzte.
- 2. Oktober: Laut Regionalregierung stimmen bei dem Referendum 90 Prozent für die Unabhängigkeit - bei einer Beteiligung von rund 43 Prozent.
- 27. Oktober: Das Regionalparlament in Barcelona beschliesst die Abspaltung Kataloniens. Der spanische Senat reagiert mit der Entmachtung der Regionalregierung. Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy von der PP erklärt Puigdemont für abgesetzt und kündigt Neuwahlen an. Puigdemont setzt sich daraufhin nach Brüssel ab.
- 21. Dezember: Bei der Neuwahl erringt das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter abermals die Mehrheit im Regionalparlament.
2018
- 23. März: Gegen Puigdemont und zwölf weitere katalanische Unabhängigkeitsbefürworter wird Anklage erhoben.
- 25. März: Puigdemont wird auf dem Rückweg von einem Besuch in Finnland von der Polizei im deutschen Schleswig-Holstein festgenommen.
- 5. April: Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht erklärt eine Auslieferung Puigdemonts an Spanien wegen des Vorwurfs der «Rebellion» für unzulässig. Puigdemont kann einen Tag später unter Auflagen das Gefängnis verlassen, muss aber zunächst in Deutschland bleiben.
- 19. Juli: Das Oberste Gericht in Madrid zieht einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont zurück.
- 28. Juli: Puigdemont kehrt in sein Brüsseler Exil zurück.
- 2. Juni: Die neue katalanische Regierung unter Regionalpräsident Quim Torra wird vereidigt. Die monatelange Zwangsverwaltung durch Madrid endet.
- 9. Juli: Spaniens neuer Ministerpräsident Pedro Sánchez empfängt Torra zu Beratungen in Madrid. Der Sozialdemokrat setzt anders als sein Vorgänger Rajoy stärker auf Dialog, um den Konflikt zu entschärfen.
- 11. September: Etwa eine Million Menschen demonstrieren in Barcelona für die Unabhängigkeit Kataloniens.
- 2. November: Die spanische Staatsanwaltschaft fordert langjährige Haftstrafen für zwölf Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Die höchste Strafe von 25 Jahren Gefängnis wegen «Rebellion» verlangt sie für den ehemaligen stellvertretenden Regionalpräsidenten Oriol Junqueras.
2019
- 10. Februar: Ein Bündnis aus rechten und rechtsextremen spanischen Parteien bringt in Madrid zehntausende Demonstranten gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens und gegen den Kurs von Sánchez auf die Strasse.
- 12. Februar: Vor dem Obersten Gerichtshof beginnt der Prozess gegen die zwölf angeklagten Anführer der Unabhängigkeitsbewegung. Puigdemont bleibt das Verfahren erspart, da die spanische Justiz keine Prozesse in Abwesenheit des Angeklagten führt.
Der Streit um die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens stürzte Spanien vor rund anderthalb Jahren in eine Staatskrise. Vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid hat am Dienstag der Prozess gegen führende Politiker der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung begonnen. Ein Überblick über den Verlauf der Ereignisse:
2006
- 30. März: Das von Sozialisten dominierte Parlament in Madrid verabschiedet eine neue Autonomiecharta für Katalonien. Die Region im Nordosten Spaniens erhält mehr Vollmachten im Steuer- und Justizbereich, die Katalanen werden als «Nation» bezeichnet.
- 31. Juli: Die oppositionelle konservative Volkspartei (PP) legt gegen die Autonomiecharta Beschwerde ein.
2010
- 28. Juni: Das spanische Verfassungsgericht gibt der PP-Beschwerde teilweise Recht. Es erkennt den Katalanen den Status einer «Nation» ab und stuft den Hinweis auf Katalanisch als «bevorzugte» Amtssprache als verfassungswidrig ein.
2012
- 11. September: Auf dem Höhepunkt der spanischen Wirtschaftskrise gibt es in Barcelona Massendemonstrationen für die Unabhängigkeit. Die Proteste am katalanischen «Nationalfeiertag» (Diada) wiederholen sich in den Folgejahren.
2014
- 9. November: Kataloniens Regionalpräsident Artur Mas lässt trotz eines Verbots des Verfassungsgerichts ein rechtlich nicht bindendes Unabhängigkeitsreferendum abhalten. Die Wahlbeteiligung liegt bei 37 Prozent. Davon stimmen gut 80 Prozent für Kataloniens Unabhängigkeit.
2015
- 27. September: Bei der Regionalwahl in Katalonien gewinnt das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter die absolute Mehrheit.
2016
- 10. Januar: Der Unabhängigkeitsbefürworter Puigdemont wird Regionalpräsident. Er bereitet die Loslösung von Spanien vor.
2017
- 1. Oktober: Gegen den Widerstand der Zentralregierung und der spanischen Justiz lässt Puigdemont in Katalonien ein Unabhängigkeitsreferendum abhalten. Die spanische Polizei geht gewaltsam gegen Wähler und Demonstranten vor, es gibt hunderte Verletzte.
- 2. Oktober: Laut Regionalregierung stimmen bei dem Referendum 90 Prozent für die Unabhängigkeit - bei einer Beteiligung von rund 43 Prozent.
- 27. Oktober: Das Regionalparlament in Barcelona beschliesst die Abspaltung Kataloniens. Der spanische Senat reagiert mit der Entmachtung der Regionalregierung. Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy von der PP erklärt Puigdemont für abgesetzt und kündigt Neuwahlen an. Puigdemont setzt sich daraufhin nach Brüssel ab.
- 21. Dezember: Bei der Neuwahl erringt das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter abermals die Mehrheit im Regionalparlament.
2018
- 23. März: Gegen Puigdemont und zwölf weitere katalanische Unabhängigkeitsbefürworter wird Anklage erhoben.
- 25. März: Puigdemont wird auf dem Rückweg von einem Besuch in Finnland von der Polizei im deutschen Schleswig-Holstein festgenommen.
- 5. April: Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht erklärt eine Auslieferung Puigdemonts an Spanien wegen des Vorwurfs der «Rebellion» für unzulässig. Puigdemont kann einen Tag später unter Auflagen das Gefängnis verlassen, muss aber zunächst in Deutschland bleiben.
- 19. Juli: Das Oberste Gericht in Madrid zieht einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont zurück.
- 28. Juli: Puigdemont kehrt in sein Brüsseler Exil zurück.
- 2. Juni: Die neue katalanische Regierung unter Regionalpräsident Quim Torra wird vereidigt. Die monatelange Zwangsverwaltung durch Madrid endet.
- 9. Juli: Spaniens neuer Ministerpräsident Pedro Sánchez empfängt Torra zu Beratungen in Madrid. Der Sozialdemokrat setzt anders als sein Vorgänger Rajoy stärker auf Dialog, um den Konflikt zu entschärfen.
- 11. September: Etwa eine Million Menschen demonstrieren in Barcelona für die Unabhängigkeit Kataloniens.
- 2. November: Die spanische Staatsanwaltschaft fordert langjährige Haftstrafen für zwölf Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Die höchste Strafe von 25 Jahren Gefängnis wegen «Rebellion» verlangt sie für den ehemaligen stellvertretenden Regionalpräsidenten Oriol Junqueras.
2019
- 10. Februar: Ein Bündnis aus rechten und rechtsextremen spanischen Parteien bringt in Madrid zehntausende Demonstranten gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens und gegen den Kurs von Sánchez auf die Strasse.
- 12. Februar: Vor dem Obersten Gerichtshof beginnt der Prozess gegen die zwölf angeklagten Anführer der Unabhängigkeitsbewegung. Puigdemont bleibt das Verfahren erspart, da die spanische Justiz keine Prozesse in Abwesenheit des Angeklagten führt.