Im Iran haben nach Angaben von Aktivisten zahlreiche Menschen gegen die bevorstehende Hinrichtung zweier junger Demonstranten protestiert.
Prominente Aktivisten und Nutzer in den sozialen Medien berichteten in der Nacht zum Montag von Menschenmengen, die sich vor einem Gefängnis nahe der Hauptstadt Teheran versammelten.
Auch Angehörige eilten demnach zur berüchtigten Gohardascht-Haftanstalt in Karadsch, um gegen die geplante Hinrichtung der beiden Verurteilten Mohammed Ghobadlou und Mohammed Boroughani zu demonstrieren. Zuvor hatten Nutzer in Online-Medien gemeldet, dass deren Exekution unmittelbar bevorsteht.
Wie das Justizportal Misan am Dienstag mitteilte, wurde zudem Dschawad Rouhi (35) wegen seiner Beteiligung als «Rädelsführer der Unruhen» in der nördlichen Hafenstadt Noschahr für schuldig befunden. Gemäss islamischer Rechtsauffassung wurde der Mann wegen «Kriegsführung gegen Gott» und «Korruption auf Erden» angeklagt. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.
Demonstranten wurden zum Tode verurteilt
Nach Recherchen der «New York Times» ist Mohammed Ghobadlou 19 Jahre alt. Er wurde in Karadsch festgenommen. Die iranische Justiz hatte ihn zum Tode verurteilt, weil er ein Regierungsgebäude in Brand gesteckt und einen Sicherheitsbeamten verletzt haben soll.
Mohammed Boroughani (22) ist Coiffeur und wurde in Teheran kurz nach Ausbruch der Proteste Ende September festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, einen Polizisten überfahren zu haben.
Bereits am Samstag hatte der Iran zwei junge Männer erhängt. Mohammed-Mehdi Karami (†22) und Sejed-Mohammed Hosseini (†39) wurden für den Tod eines Sicherheitsbeamten bei Protesten im November verantwortlich gemacht.
Tod von Jina Mahsa Amini löste Protestwelle im Iran aus
Im Zusammenhang mit den systemkritischen Demonstrationen waren auch im Dezember Todesurteile gegen zwei Männer vollstreckt worden.
Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International droht mindestens 26 Demonstranten im Iran die Todesstrafe. Bisher hat der Iran vier Urteile vollstreckt. In der Nacht zu Montag hatten in der Hauptstadt Teheran zahlreiche Menschen und Angehörige gegen eine kurz bevorstehende Exekution protestiert.
UN-Menschenrechtskommissar fordert «sofortiges Moratorium der Todesstrafe»
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte am Dienstag in Genf, hinter den Hinrichtungen stehe eine widerrechtliche Abschreckungsstrategie der islamischen Führung. «Strafrechtsverfahren und die Todesstrafe werden von der iranischen Regierung als Waffe eingesetzt, um Individuen, die an Protesten teilnehmen, zu bestrafen und Angst in der Bevölkerung zu säen, um dadurch Widerspruch auszuschalten», hieß es in einer von Türks Büro veröffentlichten Erklärung.
Dies sei eine «Verletzung internationalen humanitären Rechts», hiess es weiter. Die Organisation von und die Teilnahme an Protesten sei ein Grundrecht, das Vorgehen der iranischen Behörden dagegen komme «staatlich sanktioniertem Töten» gleich. Die Regierung in Teheran würde «ihren Interessen und denen ihres Volkes besser dienen», indem sie vom Volk geforderte Reformen in die Wege leite und Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sowie «den vollständigen Respekt und Schutz der Frauenrechte in allen Lebensbereichen» sicherstelle.
Türk rief die iranische Führung zu einem «sofortigen Moratorium der Todesstrafe und der Einstellung aller Hinrichtungen» auf.
Schweiz verurteilt Hinrichtungen
Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 in Polizeigewahrsam. Die iranische Kurdin war von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstosses gegen die im Iran geltenden islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden.
Die Schweiz verurteilt die Hinrichtungen. Die Schweiz lehne die Todesstrafe «unter allen Umständen» ab, schrieb das Aussendepartement (EDA) auf Twitter. Den Tweet verfasste EDA-Staatssekretärin Livia Leu (62), die früher selbst Botschafterin in Teheran war. (SDA/AFP/nad)