Seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise im Jahr 2015, als Millionen Schutzsuchende in Europa ankamen, ist das Thema Migration ein Dauerbrenner in der deutschen Politik. Zeigte sich eine Mehrheit der Deutschen zu Beginn noch einverstanden mit der Grenzöffnung, kippte die Stimmung bereits nach wenigen Monaten wieder. Denn das Land wurde von der schieren Anzahl von Flüchtlingen schlicht überrumpelt.
Auch heute, rund acht Jahre später, sieht die Situation nicht wirklich anders aus. Besonders die illegale Migration macht den deutschen Behörden zu schaffen. Für die Regierung unter Kanzler Olaf Scholz (65) eine ungemütliche Situation. Denn die rechts-konservative AfD mobilisiert so erfolgreich wie keine andere Partei mit dem Thema Migration und ist aktuell hinter der CDU/CSU gar die zweitstärkste Partei im Land.
Noch 300 Fälle pro Tag
Die Forderung nach stationären Grenzkontrollen nahm bei bürgerlichen Politikern in der Folge immer weiter zu. Am 16. Oktober entschied sich die Regierung schliesslich nach langem Zögern für die Einführung von stationären Grenzkontrollen an den Landesgrenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz. Und siehe da: Die Massnahme scheint zu wirken. Die illegale Migration nach Deutschland ist seither deutlich zurückgegangen.
Laut einem Bericht der «Welt am Sonntag» werden nun täglich zumeist weniger als 300 unerlaubte Einreisen nach Deutschland registriert. In den 30 Tagen vor der Einführung der Grenzkontrollen waren es noch 700 gewesen.
Hochgerechnet sprechen die Zahlen ebenfalls eine deutliche Sprache. Wurden einen Monat vor der Einführung noch 18'492 illegale Einreisen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz festgestellt, so sind es heute noch 11'029 – ein Minus von satten 40.4 Prozent!
Mehrere Gründe für Rückgänge
Aufgrund der verstärkten Präsenz der deutschen Bundespolizisten und des strengeren Kontrollregimes kam es auch zu einem Anstieg der Zurückweisungen von Migranten an den jeweiligen Grenzen. 4292 sind es an der Zahl. Besonders an der Grenze zu Polen ist ein markanter Unterschied zu vermelden. 772 Personen wurden dort seit Mitte Oktober und Mitte November zurückgeschickt. Im Monat davor waren es lediglich vier.
Für die «derzeitigen Rückgänge» der illegalen Einreisen sieht die Bundespolizei mehrere Gründe. Einerseits hätten die vorübergehend eingeführten Grenzkontrollen zu einer generellen Abnahme der Transitmigration durch Polen, Tschechien und die Slowakei geführt, «wozu auch die dortigen vorübergehenden Binnengrenzkontrollen gleichwohl beigetragen haben dürften.»
Andererseits profitiert Deutschland davon, dass die serbische Regierung kürzlich ihre Kontrollen an der Grenze zu Ungarn verschärft hat. Dies habe laut der Bundespolizei «zu einem erheblichen Rückgang unerlaubter Grenzübertritte nach Ungarn geführt, was sich auf die illegale Migration, im weiteren Verlauf bis nach Deutschland auswirkt.» Bei Migranten und Schleusern hat die Situation deshalb zu einem Umdenken geführt. Sie dürften sich «in der Gesamtschau betrachtet zunächst abwartend verhalten.»
Kontrollen um weitere 20 Tage verlängert
Im Politikbetrieb scheinen die verschärften Kontrollen auf Anklang zu stossen. «Mit den notifizierten Grenzkontrollen werden selbst unsere Erwartungen übertroffen, und zwar deutlich», sagt etwa der Innenminister von Sachsen, Armin Schuster (62) gegenüber der «Welt am Sonntag».
Auch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (53) scheint überzeugt. Galt sie früher stets als konsequente Gegnerin von stationären Grenzkontrollen, so sagt sie heute: «Unsere Bündel an smarten Kontrollen wirken. Wir werden den starken Einsatz von der Bundespolizei mit stationären und mobilen Kontrollen an unseren Grenzen daher weiter fortsetzen, um die irreguläre Migration einzudämmen.» Die Ministerin scheint entschlossen. Die Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien, Polen und der Schweiz wurden bereits um weitere 20 Tage verlängert. (ced)