Ob da jemand eine Erleuchtung gehabt hat? Das Ehebrechen sei nicht die schlimmste der sieben Todsünden, sagte Papst Franziskus. Das Oberhaupt der katholischen Kirche soll in einem Interview mit Reportern auf dem Weg von Griechenland nach Italien erörtert haben, welche Verfehlungen schlimmer seien als Sex ausserhalb der Ehe.
«Die Begierden des Fleisches sind nicht die schlimmsten», soll das 84-jährige Kirchenoberhaupt in Bezug auf ausserehelichen Sex gesagt haben, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Zu den schlimmsten Sünden gehörten stattdessen Stolz und Hass.
Hintergrund ist Rücktritt eines Pariser Erzbischofs
Einmal mehr sorgt Papst Franziskus bei einer seiner sogenannten «fliegenden Pressekonferenzen» nach der Zypern- und Griechenland-Reise mit spontanen Äusserungen für Furore.
Franziskus' «Rangliste der schlimmsten Verfehlungen» muss allerdings vor dem Hintergrund des Rücktritts eines Pariser Erzbischofs betrachtet werden. Dieser war Anfang des Monats zurückgetreten, weil er offenbar eine Beziehung mit einer Frau geführt haben soll.
Was war geschehen? Während des Hinflugs nach Zypern hatte der Vatikan nüchtern mitgeteilt: Der Papst hat den Amtsverzicht des Pariser Erzbischofs Michel Aupetit (70) mit sofortiger Wirkung angenommen. Ein Paukenschlag, nur eine Woche nachdem französische Medien über eine E-Mail berichtet hatten, die ein Verhältnis des damaligen Generalvikars Aupetit mit einer erwachsenen Frau belegen sollte. Aupetit dementierte, das Zölibatsversprechen gebrochen zu haben, fühlte sich aber zunehmend in die Enge getrieben. Und der Papst nahm seinen sofortigen Amtsverzicht ebenso umgehend an.
«Altar der Heuchelei»
Es sei ein Verstoss gegen das sechste Gebot («Du sollst nicht ehebrechen») gewesen, aber kein schwerer und daher nicht allein ausschlaggebend für Aupetits Demissionierung, sagte Franziskus. Der Erzbischof habe einen Fehler gemacht, indem er vor Jahren seine Sekretärin «leicht gestreichelt und massiert» habe, so Franziskus weiter.
Trotzdem akzeptierte der Papst Aupetits Rücktritt – warum? Weil Aupetits Ruf nach den medialen Vorwürfen, der öffentlichen Meinung und den Gerüchten so beschädigt gewesen sei, dass er seine Diözese nicht mehr habe regieren können. Also: Nicht wegen seiner Sünde – sondern wegen der öffentlichen Vernichtung seines Rufs.
«Ich habe den Rücktritt von Aupetit angenommen – nicht auf dem Altar der Wahrheit, sondern auf dem Altar der Heuchelei», sagt Franziskus. Ein aussergewöhnlicher Altar für einen Papst. (oco)