Er war ganz oben, jetzt ist Shawn Pleasants ganz unten angelangt.
Der 52-Jährige ist einer von 60'000 Menschen ohne Dach über dem Kopf, die im Grossraum Los Angeles leben. Die Obdachlosen-Krise ist im US-Bundesstaat Kalifornien am deutlichsten sichtbar. Rund 25 Prozent der Obdachlosen in den Vereinigten Staaten leben im Sonnenstaat der USA, rund um die Metropolregionen Los Angeles, San Francisco und San Diego.
Shawn Pleasants hat seit über einem Jahrzehnt kein Dach mehr über dem Kopf. Dabei hat sein Leben vielversprechend begonnen. Er war ein regelrechter Senkrechtstarter.
Aufstieg und Fall
Pleasants studierte Wirtschaft an der renommierten Yale University, arbeitete als Banker an der Wall Street und gründete in den 90er-Jahren in Hollywood eine Filmemacherfirma. Sein Unternehmen konzentrierte sich auf die damals lukrative Welt der Erwachsenenfilmindustrie. Pleasants wurde schnell reich, leistete sich ein grosses Haus in einem Nobelviertel in Los Angeles. Doch dann nahm sein Leben eine fatale Wendung.
Es kam zum Streit mit den Mitbegründern der Firma. «Als alles geklärt war, gab es kein Geschäft mehr», sagt Pleasants in einem Interview mit dem Fernsehsender «CNN». Vor zehn Jahren, etwa zur gleichen Zeit, verlor er seine Mutter an den Krebs. Ihr Tod und der Kollaps seines Unternehmens stürzten ihn in eine Depression. Pleasants musste sein Haus aufgeben und setzte sich in sein Auto, indem er fortan lebte. Doch nach wenigen Monaten verlor er auch sein geliebtes Fahrzeug.
Der ehemalige Wall-Street-Banker verfällt der Droge Crystal Meth und landet auf der Strasse. Zusammen mit seinem Mann, mit dem er verheiratet sein will, lebt Pleasants mit Hab und Gut in einem Zelt in Los Angeles – nur wenige Kilometer entfernt von den grossen Tech-Firmen wie Google oder Uber.
«Man findet hier Musiker und Fotografen. Es leben alle möglichen Arten von Menschen auf der Strasse. Es ist ein Problem, mit dem wir alle konfrontiert werden können», so Pleasants.
Trump will Zeltstädte abreissen lassen
Die US-Regierung um Präsident Trump hat die Obdachlosen-Krise in Kalifornien erkannt. Vergangene Woche reisten Regierungsbeamte nach Los Angeles, um die Situation vor Ort zu untersuchen. Trump will noch diese Woche die Westküste besuchen, um sich selbst ein Bild zu machen.
US-Medienberichten zufolge will der Präsident durchgreifen. Demnach plant er, künftig eine harte Gangart einzuschlagen. Ein Abriss der Zeltstädte stehe im Raum, die Obdachlosen sollen dann massenhaft in Regierungseinrichtungen untergebracht werden. Experten mahnen jedoch, dass Trump gar nicht die Befugnis habe, eine solche Zwangsverschiebung zu veranlassen. Auch wie ein solches Vorhaben funktionieren sollte, ist völlig unklar.
So will Pleasants zurück ins Leben finden
Die grosse Mehrheit der Obdachlosen möchten nämlich gar nicht in eine gemeinsame Unterkunft einziehen. Pleasants sagt dazu: «Diese Orte sind immer mit so starren Protokollen ausgestattet. Ich würde sofort abhauen.» Er glaubt, dass eine Unterkunft seine Freiheit einschränken würde, und ist besorgt, dass er aus Platzgründen nicht all seine Sachen aufbewahren könnte. «Ich bin lieber irgendwo, wo ich noch in die Bibliothek gehen und die Dinge tun kann, die ich tun muss, wenn ich sie tun muss.»
Abgefunden mit seiner Situation hat sich der ehemalige Wall-Street-Banker aber noch nicht. Mit dem Selbstvertrauen, das ihn in jungen Jahren so erfolgreich machte, erklärt er im Interview, wie er sich aus diesem Leben befreien will: «Ich werde wieder ein kleines Unternehmen gründen.»