In Israel müssen schon wieder Neuwahlen stattfinden: Nach Ablauf einer Frist für einen neuen Haushalt löste sich das Parlament in Jerusalem am Dienstag um Mitternacht (Ortszeit; 23.00 Uhr MEZ) automatisch auf. Hintergrund ist ein seit Monaten andauernder Konflikt zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (71) und seinem Koalitionspartner Benny Gantz (61). Ein letzter Vorstoss zu einem Kompromiss scheiterte in der Nacht zum Dienstag im Parlament. Die israelischen Bürger müssen nun zum vierten Mal binnen zwei Jahren an die Wahlurne. Mit der Neuwahl wird am 23. März gerechnet.
Noch vor der Auflösung der Knesset begannen am Dienstag Beratungen darüber, wie eine Neuwahl während der Corona-Krise sicher abgehalten werden kann. Es ging etwa um die Frage, wie Corona-Kranke ihre Stimmen abgeben können. In der grossen Koalition zwischen Netanjahus rechtskonservativer Likud-Partei und dem Mitte-Bündnis Blau-Weiss von Gantz hat es von Anbeginn an stark gehakt, zuletzt verschärften sich die Spannungen.
Will Netanjahu an der Macht bleiben?
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Regierung einen Etat für 2020 und 2021 verabschiedet. Netanjahu hatte diese Zusage aber zurückgezogen und wollte nur einen Haushalt für 2020. Der Regierungschef selbst nannte die aussergewöhnlichen Umstände der Corona-Krise als Grund. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass er damit unter anderem verhindern wollte, dass Gantz im Herbst 2021 vereinbarungsgemäss das Amt des Regierungschefs von ihm übernimmt.
Um eine schwere Wirtschaftskrise im kommenden Jahr zu verhindern, billigte die Regierung am Dienstag noch einen Finanzplan als Alternative zu einem regulären Budget. Gegen Netanjahu läuft ein Korruptionsprozess. Gantz hat dem 71-Jährigen vorgeworfen, er wolle alles unternehmen, um einer Verurteilung zu entgehen.
Mitte und Rechte vor Problemen
Das Bündnis um Gantz ist inzwischen zerbröselt. Bei einer Neuwahl muss Blau-Weiss sogar bangen, ob es die 3,25-Prozenthürde schafft. Netanjahu muss nach einer Neuwahl erneut mit Problemen bei der Regierungsbildung rechnen. Zwar ist das rechte Lager nach Umfragen stark wie nie. Es ist jedoch zersplittert zwischen verschiedenen Parteien, deren Vorsitzende alle als bittere Rivalen Netanjahus gelten, die selbst Regierungschef werden wollen. (SDA)