Natascha Kampusch
«Es kann nie aufgeklärt werden»

WIEN – Der Fall Kampusch kommt nicht zur Ruhe. Immer neue Spekulationen über Mittäter und Sexvideos gehen durch die Medien. Jetzt nimmt Natascha Kampusch selbst dazu Stellung.
Publiziert: 16.11.2009 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:42 Uhr
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Natascha Kampusch ist heute 21 Jahre alt. Ihre Kindheit verbringt sie in einem Kellerverlies ihres Peinigers. Als sie 10 Jahre ist, entführt Wolfgang Priklopil († 44) das Mädchen, sperrt sie ein und vergewaltigt sie – acht Jahre lang. 2006 kann sie endlich fliehen. Doch seitdem kommt Natascha Kampusch nicht zur Ruhe – immer neue, unbeantwortete Fragen tauchen auf. Hatte Wolfgang Priklopil einen Mitwisser, wurden Pornos von ihr gedreht und ins Netz gestellt (Blick.ch berichtete)?In einem Interview auf ORF2 in der Sendung «Thema» steht Natascha Kampusch jetzt Rede und Antwort. «Ich wurde zwei Mal acht Stunden befragt. Es war sehr strapaziös, aber ich bin an Aufklärung interessiert, » sagt sie mit fester Stimme.«Ist Ernst H.* der Zweittäter», fragt Journalist Christoph Feurstein: Natascha schluckt, «Ich habe ihn nie als Mittäter wahrgenommen», sagt sie dann. Sie habe ihn nur einmal kennengelernt, das sei im Jahr 2006 gewesen – also ziemlich am Ende ihrer Gefangenschaft. «Priklopil hat mich als Nachbarin vorgestellt.» Gekellnert hätte sie aber nie bei ihm.«Es kann nie aufgeklärt werden»Feurstein hakt nach: «Er war also alleine?» Jetzt wird Nataschas Stimme zittrig. «Ich wurde nur von einem Täter entführt. Ich glaube es kann nie aufgeklärt werden», fügt sie hinzu. Dann senkt sie ihren Blick.Natascha hat nach ihrer Flucht den Kontakt zu Ernst H. gesucht. Wieso? «Ich wollte ihm in die Augen schaun und sehen, ob er ein Mittäter gewesen sein könnte.» Die Antwort bleibt sie schuldig.Auf die Frage nach dem besagten Pornovideo, das sie mit zwei Männern zeigen soll, sagt sie bestimmt: «So ein Video gibt es nicht. Es war immer nur ein Täter.» Auf die Frage, ob sie mit kompromittierendem Material erpresst werde, lautet die knappe Antwort: «Ich werde nicht erpresst.»Wie sie ihren Entführer heute sieht? «Das war meine Kindheit und Jugend, die mir nie jemand zurückbringen kann. Doch im Nachhinein macht es mir nichts mehr aus.»«Ich bin empört»Über die Aussage des Leiters der Evaluierungskommission, Ludwig Adamovich, ist Natascha allerdings empört. «Ich verstehe nicht, wie sich ein Außenstehender so was anmaßen kann. Das ist für mich unverständlich.»Adamovich hatte Anfang August in einem Interview mit der «Kronen Zeitung» erklärt, die Zeit ihrer Gefangenschaft wäre für Kampusch womöglich «allemal besser» gewesen «als das, was sie davor erlebt hat». Kampuschs Mutter Brigitta Sirny brachte daraufhin Klage wegen übler Nachrede ein.Gegen die Gerüchte sie wolle in das Haus ihres Peinigers einziehen, wehrt sich Kampusch strikt. «Das ist natürlich absoluter Humbug. Ich ziehe dort garantiert nicht ein.» Auch auf die Frage, wieso sie Priklopils Auto gekauft habe, hat sie eine schnelle Antwort: «Ich hatte die Befürchtung, dass verrückte ausländische Menschen es kaufen wollen, weil sie Priklopil bewundern.»Kein normales Leben möglichDoch auch dei Jahre nach ihrer Flucht und dem Selbstmord ihres Entführers ist für Natascha an ein normales Leben nicht zu denken. «Mein heutiges Leben ist sehr stressig. Ich habe es jeden Tag mit Verrückten, Verschwörungstheoretikern und Anfeindungen zu tun. Es ist ein Spiessrutenlauf, das setzt mir sehr zu.» Doch weglaufen will Natascha nicht. Nur weil sie kein typisches Verbrechens-Opfer sei, hätten die Menschen kein Recht sie so anzugreifen. «Ich gebe nicht klein bei.»Natascha ist im letzten Jahr ihrer Schule. Aber sie möchte weiterlernen, damit sie das Leben leben kann, dass sie sich vor ihrer Entführung gewünscht hat. (s5j)* Der Name ist der Redaktion bekannt
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