Nahost-Experte Gysling zur «Waffenruhe» in Syrien
Was passiert, wenn Assad den Krieg gewinnt?

Ende Woche sollen in Syrien eigentlich die Waffen ruhen – daran glauben mag niemand so richtig. BLICK hat mit dem Nahost-Experten Erich Gysling (79) über die Friedensaussichten sowie die konfuse Rolle Russlands im Syrien-Konflikt gesprochen.
Publiziert: 16.02.2016 um 18:20 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:11 Uhr
Hält Waffenstillstand derzeit für unmöglich: Syriens Präsident Baschar-al Assad.
Foto: Reuters
Gregory Remez

Die diplomatischen Bemühungen an der Münchner Sicherheitskonferenz scheinen sich nach und nach in Luft aufzulösen. Einer schnellen Feuerpause im syrischen Bürgerkrieg hat Machthaber Baschar-al Assad schnell eine Absage erteilt.

«Waffenruhen kommen zwischen Armeen und Staaten vor, aber niemals zwischen einem Staat und Terroristen», sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana.

Um die Gewalt seiner Truppen zu legitimieren erklärte der Diktator kurzerhand alle, die «Waffen gegen den syrischen Staat und sein Volk erheben», zu Terroristen.

Ruhende Waffen bis Ende Woche? Für Assad ein Ding der Unmöglichkeit: «Wer kann alle diese Bedingungen und Anforderungen in einer Woche zusammenfügen? Niemand.»

Kann es bei diesem erbarmungslosen Kurs der syrischen Führung überhaupt einen Waffenstillstand, geschweige denn Frieden geben? Nahost-Experte Erich Gysling analysiert für BLICK die Chancen auf ein Ende des Blutvergiessens in Syrien.

Herr Gysling, niemand glaubt an eine schnelle Waffenruhe in Syrien. Warum?

Die Chancen stehen tatsächlich nicht sehr gut. Assad ist zurzeit nicht bereit, die Waffen ruhen zu lassen. Er will weiterhin die gesamte Opposition angreifen, nicht nur den IS und die Nusra-Front. Seine Gegner, zu der neben den Terrororganisationen auch Kurden und sogenannte gemässigte, progressive Oppositionelle gehören, halten derzeit rund 70 Prozent Syriens.

Nahost-Experte Erich Gysling (79).
Foto: Keystone

Woran scheitern die Friedensbemühungen?

Friedensgespräche sind so gut wie aussichtslos, solange Assad versucht, seine Herrschaft auszudehnen. Er will sein Territorium mit der Unterstützung Russlands und des Iran konsolidieren. Dazu gehört allen voran die von den Rebellen gehaltene Millionenstadt Aleppo.

Ist Frieden in Syrien zurzeit überhaupt möglich?

Frieden kann es erst geben, wenn die Gesamtsituation in Syrien, die Machtverhältnisse klarer sind. Sollte es Assad gelingen, den Krieg zu gewinnen und sein Territorium zu konsolidieren, wäre er möglicherweise zu Gesprächen bereit. Das ist aber keine angenehme Aussicht, denn sie bedeutet unendlich viele weitere Todesopfer.

Hat der Westen mit seiner Syrien-Politik versagt?

Das Problem ist, dass der Westen im Gegensatz zu Russland keine klare Strategie hat. Zwar ist man sich einig, dass man Machthaber Assad aus dem Weg räumen will, doch einen gemeinsamen Plan gibt es nach wie vor nicht. Zudem wird bei den Friedensverhandlungen viel zu wenig darauf eingegangen, was die syrische Bevölkerung eigentlich will.

Welches Ziel verfolgt Russland im Syrien-Konflikt?

Russland fürchtet eine Zeit nach Assad. Man will den syrischen Diktator an der Macht halten und so verhindern, dass islamistische Gruppierungen an Einfluss gewinnen oder gar die Spitze übernehmen. Dass sich unter den IS-Kämpfern immer mehr Tschetschenen befinden, dürfte Moskau zusehends nervös machen.

Was passiert, wenn Assad den Krieg gewinnt?

Der Konflikt wäre damit natürlich nicht beendet, denn ein Sieg Assads würde die Ausgangssituation wiederherstellen. Das wäre für viele Menschen in Syrien eine Katastrophe. Denn es gilt nach wie vor der Grundsatz: Solange die Sunniten nicht in die politischen Prozesse miteinbezogen werden, wird es in Syrien immer brodeln.

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