«JC», wie der Italiener genannt wird, war ein ganz normaler Mensch. Er hatte eine gute Ausbildung, und verrichtete seine Arbeit gewissenhaft. Vermutlich war es ein chirurgischer Eingriff am Hirn, der ihn veränderte: Er litt unter einer Gefässanomalie, die zu einer Wasseransammlung führte.
Seit der Hirn-OP ist «JC» jedenfalls verwandelt. Er besteht darauf, nur noch Französisch zu reden. Das macht er sehr schnell, mit übertriebener Intonation und einer Gestik, wie man sie aus alten französischen Filmen kennt. Der legendäre Komiker Louis de Funès (1914-1983) lässt grüssen!
Zudem kauft der Mann französische Produkte, schaut französische Filme und kocht Nouvelle Cuisine. Morgens, wenn er die Fensterläden öffnet, ruft er laut «Bonjour!» hinaus. Seinen Bekannten bietet er ungefragt Französischkurse an. Als «joie de vivre» bezeichnet er diese Euphorie.
«Karikatur eines Franzosen»
Der Fall ist von Forschern des Somma Lombardo Hospital in Varese und der University of Edinburgh untersucht worden. Die Forscher Nicoletta Beschin, Angela de Bruin und Sergio Della Sala stellen fest: «Er verhält sich wie die Karikatur eines Franzosen.» Vor seiner Erkrankung habe JC sein Schulfranzösisch 30 Jahre lang vernachlässigt. Entsprechend schlecht beherrsche er die Sprache.
Italienisch verwendet «JC» nur noch auf Drängen. Und dann auch nur schriftlich. Eine medikamentöse Behandlung habe nichts gebracht, heisst es im Bericht der Forscher im Fachmagazin «Cortex».
Die Forscher sind sich einig: Die Hirnschädigung hat bei JC offenbar eine Art Zwangsstörung mit manischen und wahnhaften Zügen ausgelöst, bei der die fast vergessene Sprache aus der Schulzeit plötzlich zu seiner einzigen wurde. Die Verwandten haben sich inzwischen damit abgefunden. (gf)