Das Fazit eines unabhängigen Untersuchungsberichts, der über die Londoner Polizei erstellt wurde, hat es in sich: Die Londoner Polizei ist institutionell rassistisch, frauenfeindlich und homophob.
Gewalt gegen Frauen und Mädchen sei nicht ernst genommen worden. Die Autorin des Berichts, Louise Casey, forderte die Metropolitan Police (Met) zu tiefgreifenden Änderungen auf. «Es ist nicht unsere Aufgabe als Öffentlichkeit, uns vor der Polizei zu schützen. Es ist die Aufgabe der Polizei, uns Bürger zu schützen», sagte Casey. «Viel zu viele Londoner haben das Vertrauen in die Polizei verloren, dies zu tun.»
Weibliche Angestellte wurden nicht geschützt
Der 363 Seiten lange Bericht sei drastisch, hart und schonungslos, sagte Casey, die als unabhängige Abgeordnete im Oberhaus sitzt. So gebe es weit verbreitetes Mobbing in der Behörde. «Beamtinnen und weibliche Beschäftigte sehen sich routinemässig mit Sexismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert», heisst es darin.
«Die Met hat ihre weiblichen Angestellten oder Mitglieder der Öffentlichkeit weder vor Tätern in der Polizei, die häusliche Gewalt anwenden, noch vor denen geschützt, die ihre Position für sexuelle Zwecke missbrauchen.» Es gebe zudem rassistische Beamte und Beschäftigte sowie «tief sitzende Homophobie», urteilte Casey.
Der Bericht war in Auftrag gegeben worden, nachdem im März 2021 ein Polizist die 33-jährige Londonerin Sarah Everard unter Einsatz seines Dienstausweises entführt sowie anschliessend vergewaltigt und ermordet hatte. Auch danach kamen Skandale ans Licht. Im Februar wurde ein Beamter zu jahrzehntelanger Haft verurteilt, der fast 20 Jahre lang ein Dutzend Frauen wiederholt vergewaltigt hatte.
Unzumutbare Arbeitsbedingungen
Zur sexistischen, rassistischen und homophoben Kultur kommen kaum vorstellbare Arbeitsbedingungen hinzu. So müssten Beamte ihre Beweismittel in «überfüllten, baufälligen oder kaputten Kühl- und Gefrierschränken"»verstauen. Manche Geräte sind so voll, dass sie zugeschnallt werden müssen. In einem Fall wurde eine Lunchbox im selben Kühlschrank gefunden, wie eine Probe aus einem Vergewaltigungsfall. In einem anderen ging ein Kühlschrank kaputt - die dort aufbewahrten Beweismittel waren dadurch unbrauchbar. Der grösste Teil der Belegschaft sei überarbeitet und unerfahren.
Vor allem bei häuslicher Gewalt seien Fallzahlen nicht überschaubar, Opfer würden nicht ausreichend unterstützt, heisst es weiter. «Das hat die Abkopplung von den Londonern verschärft.» Die Bewohner der britischen Hauptstadt seien die Leidtragenden. Zu ähnlichen Schlüssen war im Herbst bereits ein Untersuchungsbericht der Aufsichtsbehörde HMICFRS gekommen. Demnach ist die Aufklärungsrate bei Vergewaltigungen und Einbrüchen miserabel, dafür die Zahl der Straftäter in Uniform hoch. Einstellungen würden nicht ausreichend überprüft – wohl auch, weil nach einer radikalen Kürzungswelle seit wenigen Jahren wieder in breitem Massstab eingestellt wird.
In der Pflicht ist nun mehr denn bisher Londons oberster Polizist Mark Rowley, der seit einem halben Jahr an der Spitze der Met steht. Seit Amtsantritt hat der Commissioner deutlich gemacht, dass er rigoros gegen korrupte und gewalttätige Polizisten durchgreifen wird. Es würde ihn nicht wundern, wenn wöchentlich zwei bis drei Beamte vor Gericht landen, sagte Rowley im Januar.
Mit dem neuesten Bericht steht die Met endgültig auf dem Prüfstand, von einer «letzten Chance» war schon vorab die Rede. Nun forderte Casey eine «völlige Überholung» Behörde. Caseys Fazit: Wenn sich die Truppe nicht reformiert, drohe ihr die Auflösung. (SDA)