Deutschland investiert: Freude herrscht
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Merkels XXL-Konjunkturpaket:Deutschland investiert, die Schweiz profitiert

Merkels XXL-Konjunkturpaket nützt auch unserer Wirtschaft
Deutschland investiert: Freude herrscht

In der Schweiz sind Konjunkturpakete verpönt. Doch dass Berlin zur Bekämpfung der Corona-Krise mehr als 130 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpt, kommt auch hierzulande gut an.
Publiziert: 06.06.2020 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2020 um 18:17 Uhr
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Es sieht hier zwar nicht so aus, aber Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) muss sich wegen des Konjunkturpakets nicht verstecken: Das Echo ist positiv.
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann

Deutschland hat es wieder getan: ein Konjunkturpaket vorgelegt – die letzten gab es in Zeiten der Finanzkrise 2008 und 2009. Nur sind es diesmal gleich über 130 Milliarden Euro, eine unvorstellbare Summe. «... auch für mich, in normalen Zeiten», wie Angela Merkel (65, CDU) am Donnerstagabend in der ARD gestand. Mit sichtbarem Stolz gewährte die deutsche Kanzlerin nach tagelangen, zähen Verhandlungen zwei ihrer raren Fernsehinterviews.

Kernstücke des XXL-Konjunkturpakets sind eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, für Familien 300 Euro in bar pro Kind, die Förderung von Elektroautos, Entlastungen bei den Stromkosten und Finanzspritzen für Kommunen und die Deutsche Bahn.

Merkels Koalitionspartner SPD konnte viele Wünsche durchsetzen, auch die meisten Ökonomen stehen hinter dem Paket – nicht einmal Kabarettisten fallen derzeit Witze über die Regierenden ein. Eine öffentlich-rechtliche Satire-Sendung meldete mit Augenzwinkern, ihre Autoren seien «stinksauer, weil das Konjunkturprogramm gar nicht mal so scheisse» sei.

Mehrwertsteuersenkung kommt nicht in Frage

Aus hiesiger Perspektive wirkt das Ganze jedoch befremdlich. «Die Schweiz hat keine Konjunkturprogramm-Tradition», behauptet Mathias Binswanger (57). Wirksamkeit und Nützlichkeit würden überschätzt, so der Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Tatsächlich gab es ähnliche Pakete auch in der Schweiz – zuletzt 1992 und 1997: staatliche Bauprogramme, die gesamtwirtschaftlich durchaus Wirkung zeigten.

Keine Erfahrung hat die Eidgenossenschaft hingegen mit einer Senkung der Mehrwertsteuer. «Eine solche Massnahme käme hierzulande nicht in Frage», sagt Jan-Egbert Sturm (50), ETH-Wirtschaftsprofessor und Direktor der Zürcher Konjunkturforschungsstelle KOF. «Die Mehrwertsteuer ist bei uns ohnehin schon tief. Weil wir eine kleine Volkswirtschaft sind, würde der Effekt wohl verpuffen.» Am ehesten profitiere davon wohl das Ausland, wo ein Grossteil der Zusatzausgaben hinfliessen würden.

Doch Deutschland braucht in der besonderen Lage besondere Massnahmen. Man befinde sich, so die Bundeskanzlerin, in der «schwersten wirtschaftlichen Situation in der Geschichte der Bundesrepublik». Sieben Millionen Menschen sind in Kurzarbeit. Zum Vergleich: In der Finanzkrise waren es 1,5 Millionen – und das auch nur in wenigen Branchen.

«Wird mehr konsumiert, wird mehr investiert»

«Dass man die Wirtschaft ankurbeln will, ist durchaus verständlich», findet KOF-Ökonom Sturm. Deutschland werde als Motor Europas gebraucht. Davon habe auch die Schweiz ihren Nutzen. Ein bekannter Effekt: Von Konjunkturprogrammen der grossen Volkswirtschaften wie USA oder China profitieren kleine Länder immer mit. Pumpt also der wichtigste Handelspartner der Schweiz Milliarden in die Wirtschaft, kommt das zwangsläufig auch hierzulande an.

Entsprechend werde sich die Mehrwertsteuersenkung positiv auf die Schweizer Exporte auswirken, ist sich Sturm sicher. Die simple Rechnung: «Wird mehr konsumiert, wird mehr investiert. Und bei der Herstellung von Investitionsgütern ist die Schweiz auch sehr gut aufgestellt.»

Aus Schweizer Sicht ist es allerdings bedauerlich, dass es die Abwrackprämie nicht ins Paket geschafft hat. Da hätten die Schweizer Zulieferer mindestens so laut gejubelt wie die deutsche Autolobby.

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