Medwedew-Regierung zurückgetreten, der Präsident will Verfassung ändern
Putin kremlt Russland um

Knall auf Fall hat Staatspräsident Wladimir Putin seine gesamte Regierung um Ministerpräsident Dmitri Medwedew verloren. Eine Expertin erklärt, warum Putin mit der überraschenden Rochade trotzdem an Macht gewinnt.
Publiziert: 16.01.2020 um 12:18 Uhr
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Rücktritt, aber kein Zoff: Staatspräsident Putin und Ministerpräsident Medwedew.
Fabienne Kinzelmann

Paukenschlag in Russland. Staatspräsident Wladimir Putin (67) verliert auf einen Schlag die gesamte Regierung seines Landes. Ministerpräsident Dmitri Medwedew (54) hat am Mittwoch seinen Rücktritt sowie den aller Minister angekündigt.

Doch von Spaltung in Moskau keine Spur: Er wolle Präsident Wladimir Putin damit die Möglichkeit geben, die nötigen Veränderungen im Land anzustossen, teilte Medwedew kleinlaut mit. Putin hat mit Michail Mischustin, (53), dem Chef der Steuerbehörde, offenbar schon einen Wunschkandidaten für die Regierungsspitze installiert. Ein Unbekannter, der sicherlich nach Putin Pfeife tanzen wird.

Putin sorgt sich schon heute um die Zeit nach 2024

«Der Rücktritt geschieht vor dem Hintergrund der gesamten Umwälzung im Kreml, die spätestens 2024 stattfinden wird», sagt Russland-Expertin Susan Stewart zu BLICK. Denn dann endet die vierte Amtszeit des Kremlchefs. Seit Ende 1999 ist der entweder als Präsident oder als Ministerpräsident an der Macht. «Die grosse Frage ist, was Putin nach dem Ende seiner vierten Amtszeit 2024 macht.» Denn: «Er kann nur an der Macht bleiben, wenn er die Verfassung ändert, wieder Ministerpräsident wird oder eine neue Rolle bekommt.»

Das mögliche Karriereende mache Putin nervös, sagt die Expertin. «Er fragt sich, was mit ihm, seinem Vermögen und seiner Familie passiert. Die Situation ist ähnlich wie bei Boris Jelzin, als er vor 20 Jahren die Macht an Putin übergab.» Dem ersten Staatspräsidenten Russlands wurde von Nachfolger Putin als erste Amtshandlung Straffreiheit garantiert.

Cleverer Schachzug

Der Rücktritt der russischen Regierung war daher wohl ein cleverer Schachzug von Putin. Der will an dem starken Präsidialsystem festhalten, hat aber gleichzeitig erst wenige Stunden davor in seiner Rede zur Lage der Nation radikale Verfassungsänderungen vorgeschlagen. So sieht er vor, dass Abgeordneten unter anderem künftig den Ministerpräsidenten bestimmen. Bislang schlägt der Präsident den Regierungschef vor, und die Duma (das russische Parlament) stimmt über ihn ab. Zudem sollten die Kriterien für Präsidentschaftskandidaten verschärft werden.

Aktuell stellt die Partei «Einiges Russland» unter dem unbeliebten Noch-Regierungschef Medwedew die Mehrheit im Parlament. Sie ist auf Kurs mit dem Staatspräsidenten. Hat Putin sie im Rücken, könnte er selbst ins erstarkte Ministerpräsidentenamt rücken. Ob und wann ein Referendum über die Verfassungsänderung kommt, ist aber noch unklar. «Alles ist noch sehr chaotisch», findet auch Expertin Stewart.

Medwedew kriegt zum Trost neuen Top-Posten

Für Medwedew wird sich seine Treue zu Putin so oder so Fall auszahlen. Nach dem «freiwilligen» Rücktritt bekommt Medwedew eine neue Top-Position: Er soll Chef des Sicherheitsrats werden.

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