«Mama, ich sterbe»
Horror-Bilder zeigen die zerstörten Leben der Ukrainer

Im Kampf um die Ukraine kennen die Russen keine Gnade. Auch Zivilisten werden beschossen. Bilder zeigen aus einem Spital zeigen das grausame Ausmass. Darunter verstümmelte Kinder, die ohne Beine, versuchen sich zurück ins Leben zu kämpfen.
Publiziert: 19.05.2022 um 10:50 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2022 um 11:59 Uhr

Diese Bilder sind kaum zu ertragen. Eigentlich sollten sie unbeschwert ihre Kindheit geniessen. Stattdessen sitzen sie im Rollstuhl. Denn: Da wo einst ihre Beine waren, sind nun Stummel. Es sind die grausamen Folgen des Ukraine-Krieges. In den Spitälern liegen die jüngsten Opfer von Putins Krieg. Der Kreml-Chef hatte am 24. Februar das Land angegriffen. Seither tobt in der Ukraine der Krieg. Mit verheerenden Folgen für die Zivilisten.

Die beiden AP-Journalisten Emilio Morenatti und Elena Becatoros haben die Spitäler in der Ukraine besucht und dabei den Horror der Kinder dokumentiert. Darunter die Geschichte von Yana S.* (11). Am 8. April fuhr das Mädchen mit ihrer Mutter Natascha und ihrem Zwillingsbruder Yarik in die ostukrainische Stadt Kramatorsk, um mit einem Zug aus dem Kriegsgebiet evakuiert zu werden.

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Yarik blieb im Bahnhof, um das Gepäck zu bewachen, während Yana und ihre Mutter nach draussen gingen, um etwas zu trinken, zu kaufen. Doch dann schlug eine Rakete ein. Die Beine der 11-Jährigen wurden dabei zerfetzt. Yana schrie vor Angst: «Mama, ich sterbe», heisst es im berührenden Bericht der AP-Journalisten. Jetzt liegt die Kleine im Spital in Lviv.

Yana S. verlor bei einem Angriff beide Beine. Ihr Bruder Yarik schiebt sich über den Flur im Spital.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Ärzte konnten die Beine des Mädchens nicht mehr retten. Sie sitzt nun im Rollstuhl. Ihr Bruder Yarik, der am Bahnhof gewartet hatte, hatte Glück und blieb unverletzt. Er schiebt seine Schwester nun durch die Gänge im Spital. Auch Mutter Natasha verlor ihre Beine bei dem Raketen-Angriff. Ihrer Tochter nicht helfen zu können, macht sie traurig. «Ich kann sie nicht hochheben. Ich kann sie nur mit meinen Worten vom Bett aus unterstützen.»

Yana vermisst ihr Zuhause und ihre Freunde und freut sich darauf, Prothesen zu bekommen. Die 11-Jährige hat nur einen Wunsch: «Ich möchte wirklich laufen.»

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Als sie die Bombe hörte, rannte sie los

Auch Nastia K.* (21) verlor bei einem Angriff der Russen ein Bein. In dem Keller in Tschernihiw, in dem die junge Frau, ihre Eltern, ihr Bruder und 120 weitere Menschen Zuflucht gefunden hatten, gab es seit zwei oder drei Tagen weder Strom noch fliessendes Wasser. Deswegen ging sie nach draussen und verliess den Luftschutzkeller. Als sie wieder zurückging, hörte sie plötzlich ein Geräusch über sich. Eine Rakete im Anflug. Sie rannte los. Doch bevor sie den Eingang erreichen konnte, schlug die Bombe ein.

Im Spital versuchten, die Ärzte ihr rechtes Bein zu retten. Ohne Erfolg. Sie mussten es unterhalb des Knies amputieren. Ihr anderes Bein war schwer gebrochen.

Jetzt, wo sie eine schmerzhafte Physiotherapie durchläuft, wird ihr langsam bewusst, was passiert ist. «Ich akzeptiere es», sagte sie mit Tränen in den Augen. «Ich hätte nie gedacht, dass mir das jemals passieren würde. Aber jetzt ist es passiert, was kann ich tun?» Sie versucht dennoch optimistisch sein, nach vorne zu blicken.

Sie spricht Deutsch, hat Kindern Nachhilfe gegeben und wollte schon immer in Deutschland studieren. Anfang Mai wurde sie in eine spezielle Rehabilitationseinrichtung in Leipzig verlegt.

«Warum hat Gott mich am Leben gelassen?»

Am 14. März regneten Bomben auf das Dorf Rozvazhiv in der Region Kiew nieder. Bei einer Explosion verlor Olena V.* (45) nicht nur ihr linkes Bein verlor, sondern auch ihren Sohn Iwan (†14). Ihr Ehemann Volodymyr begrub ihn zusammen mit einem anderen Jungen, der bei der gleichen Explosion ums Leben kam, unter einem Strauch im Garten der Familie. Inmitten der Kämpfe konnten sie den Friedhof nicht erreichen. «Wie soll ich ohne Iwan leben? Er wird für immer in meinem Herzen bleiben», sagt sie.

Als sie hörte, dass Iwan tot war, bat sie einen Nachbarn, sein Gewehr zu holen und sie zu erschiessen. «Warum hat Gott mich am Leben gelassen?», fragte sie sich.

Doch ihr Ehemann flehte sie an und sagte, er könne ohne sie nicht leben. Vielleicht, so Olena, wurde ihr Leben verschont, weil sie dazu bestimmt war, etwas zu tun, anderen zu helfen, vielleicht als Freiwillige oder durch Spenden für eine Musikschule in Iwans Gedenken. «Im Moment weiss ich noch nicht, was ich tun möchte. Ich muss lernen, wie man lebt. Aber wie? Ich weiss es noch nicht.» (jmh)

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