Lebten jahrelang im Wald
Behörden nehmen Eltern nach Pilz-Vergiftung Kinder weg

Eine britisch-australische Familie lebte jahrelang abgeschieden im Wald in Italien. Nach einer Pilzvergiftung und behördlichen Kontrollen wurden die drei Kinder nun aus der Obhut der Eltern genommen. Der Fall löst Betroffenheit aus.
Publiziert: 17:47 Uhr
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Nathan Trevallion und Catherine Birmingham lebten mit ihren Kindern in einer Waldhütte.
Foto: zVg

Darum gehts

  • Britisch-australische Familie in Italien: Kinder aus Obhut der Eltern genommen
  • Familie lebte abgeschieden im Wald, Behörden stellten Missstände fest
  • Drei Kinder im Alter von 6 und 8 Jahren in kirchliche Einrichtung gebracht
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Janine EnderliRedaktorin News

Ein abgeschiedenes Leben im Wald, fernab staatlicher Strukturen: Für eine britisch-australische Familie in den Abruzzen war dies jahrelang Alltag. Doch nach einer Pilzvergiftung im vergangenen Jahr und anschliessenden Kontrollen der Behörden geriet ihr alternatives Leben zunehmend aus den Fugen. Ein italienisches Jugendgericht entschied jetzt: Die drei Kinder werden aus der Obhut der Eltern genommen. Der Fall löste in Italien eine landesweite Debatte über elterliche Freiheit und Kindeswohl aus. Doch wie sind die Geschehnisse abgelaufen? Ein Protokoll. 

2021, Umzug nach Palmoli (Abruzzen): Der ehemalige Koch Nathan Trevallion aus Bristol und seine Frau Catherine kaufen 2021 ein verfallenes Haus in den Wäldern bei Palmoli. Ihr Ziel: Sie wollen ein naturverbundenes und autarkes Leben führen. Heisst: Sie leben komplett auf sich allein gestellt, bauen ihr eigenes Essen an, erzeugen eigenen Strom und beziehen Wasser aus einem Brunnen. Die drei Kinder Utopia-Rose (8) und die Zwillinge Galorian und Bluebell (6) werden zu Hause unterrichtet. 

September 2024, Familie erleidet Pilzvergiftung: Die gesamte Familie Trevallion wird bei einem Vorfall im Wald im September 2024 krank, nachdem sie selbst gesammelte Pilze gegessen hatte. Die Behörden schalten sich ein. Es findet eine Inspektion statt.

Sozialdienste dokumentieren im Anschluss erhebliche Missstände: baufällige Unterkunft, mangelnde Hygieneeinrichtungen, kein festes Einkommen, Isolation, fehlende Schulbildung. «Die Kinder haben keinen sozialen Kontakt», stellt ein Gericht fest. 

20. November 2025, Gericht greift durch: Nach monatelangen Abklärungen und Untersuchungen entscheidet das Jugendgericht von L’Aquila, dass eine solche Lebensweise das Kindeswohl gefährde. Die Kinder würden aufgrund ihres Lebens ausserhalb eines sozialen Umfelds unter «schwerwiegenden und schädlichen Verletzungen» ihrer Rechte leiden. Das Gericht ordnet an, dass die Kinder nicht mehr bei den Eltern leben dürfen.

20. November 2025, Nachmittag: Die Polizei holt die Kinder in ihrem Zuhause und bringt sie in eine kirchliche Einrichtung. Die Mutter darf sie zunächst begleiten, um ein Trauma für die Kinder zu vermeiden. Der Vater bleibt zurück. Trevallion bezeichnet den Entzug der Kinder als «grosses Unrecht» und sagt, es sei «die schlimmste Nacht seines Lebens».

21. November 2025: Der Vater gibt weiter Interviews. Er wirft den Behörden vor, «die Familie zu zerstören». 

24. November 2025: Der Vater lehnt es ab, weiter Interviews zu geben. Die Eltern wollen aber in Berufung gehen, kündigt der Anwalt von Trevallion an. 

Giorgia Meloni schaltet sich ein

Der Fall hat in Italien politische Kontroversen und eine Gegenreaktion gegen die oberste Richterin des Jugendgerichts, Cecilia Angrisano, ausgelöst.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48) kritisierte die Inobhutnahme der Kinder und wies ihren Justizminister Carlo Nordio an, zu prüfen, ob Gründe für die Entsendung von Inspektoren vorliegen. Der stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini verglich den Fall gar mit einer Entführung.

Chiara Saraceno, eine bekannte italienische Soziologin, sagte: «Es ist sehr schwer, zu verstehen, was dort vor sich geht. Aber es ist nichts Falsches daran, eine alternative Bildung anbieten zu wollen. Das Problem ist, wie isoliert diese Kinder waren und wie hygienisch ihre Bedingungen waren.» Über diese Fragen wird nun erneut diskutiert.

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