Pinchas Goldschmidt (58) lebt seit Kurzem im Exil. In Zürich geboren, verbrachte der Oberrabbiner von Moskau über 30 Jahre seines Lebens in der russischen Hauptstadt. Anfang März, kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, verliess er die Stadt in Richtung israelische Hauptstadt. Zunächst hiess es, Goldschmidt sei in Jerusalem wegen seines betagten Vaters. Nun ist klar: Der Oberrabbiner hat die Stadt verlassen, weil Moskau von ihm verlangte, den Krieg öffentlich zu unterstützen.
Das bestätigt die Schwiegertochter auf Twitter. Die US-amerikanische Journalistin Avital Chizhik-Goldschmidt schreibt, ihre Schwiegereltern seien nun weg von der Gemeinde, die sie so lieben, das schmerze. Goldschmidt zog 1989 nach Moskau zum Aufbau jüdischer Gemeinden und zog dort sieben Kinder gross. Er hat seine Sorgen stets offen bekundet. So zuletzt kurz vor dem Krieg in einem Interview mit der Zeitschrift Tachles: «Wir beten für den Frieden. Viel mehr können wir nicht tun in dieser Situation.»
Wiederwahl in Abwesenheit
Seit Monaten führt Russland einen Angriffskrieg in der Ukraine. Die russischen Behörden setzen dabei auch eine strenge Zensur im eigenen Land durch und verlangen von der Bevölkerung, den Krieg zu unterstützen – oder zumindest keinen öffentlichen Widerspruch einzulegen. Die jüdischen Gemeinden stehen unter Druck, denn viele Jüdinnen und Juden fliehen vor Moskau. Unter Kreml-Kritikern geht die Furcht vor Repressionen schon seit Jahren um. Goldschmidt wird dabei nicht das letze Beispiel sein, zumal er nicht zu den wichtigsten Kreml-Kritiker zählt.
Weil Goldschmidt sich weigert, den Krieg in der Ukraine zu unterstützen, habe es erst kürzlich Bestrebungen in Moskau gegeben, den Rabbiner zu ersetzen. Doch Goldschmidt wurde Anfang Woche in seinem Amt als Oberrabbiner von Moskau für weitere sieben Jahre bestätigt. Die Wahl fand in seiner Abwesenheit in der Choral-Synagoge der russischen Hauptstadt statt.
Goldschmidt wurde bereits 2005 die Aufenthaltsberechtigung für Russland entzogen. Erst mehrere Wochen später bekam er ein neues Visum für Russland. Es ist also nicht das erste Mal, dass Goldschmidt nicht in Russland lebt. Diesmal geschieht es aber auf Druck hin. Nun wird er sich von Israel aus um seine Gemeinde in Moskau kümmern.