Klimagipfel der Blockaden
Was in Belém beschlossen wurde

Mächtige Blockierer waren in Hochform und die USA als einer der grössten Klimasünder gar nicht erst dabei: Wegweisende Fortschritte im Kampf gegen die Erderwärmung sind auf der Weltklimakonferenz in Brasilien trotz turbulenter zweiwöchiger Verhandlungen nicht gelungen.
Publiziert: vor 37 Minuten
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dpatopbilder - Aktivisten nehmen an einer Demonstration vor dem Verhandlungsort des UN-Klimagipfels COP30 teil. Foto: Joshua A. Bickel/AP/dpa
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Umweltorganisationen und Aktivisten kritisierten die Beschlüsse als unzureichend und inakzeptabel. Auch der deutsche Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) zeigte sich «ein bisschen enttäuscht» und warf den Ölstaaten eine Blockadetaktik vor.

Zeitweise schien es unter dem Druck grosser Proteste und breiter Länder-Allianzen - darunter Deutschlands und der EU - möglich, einen Plan für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Verbrennung von Kohle, Öl und Gas anzugehen. Doch selbst die Einigung, einen solchen Plan in den nächsten Jahren zu erarbeiten - über derartige Trippelschritte ringt man auf UN-Konferenzen - scheiterte.

Vereinbart wurde statt des tagelang heiss diskutierten Wegs zum Ausstiegsplan lediglich eine freiwillige Initiative, um die Klimaschutz-Anstrengungen der Staaten zu beschleunigen. Schon bei der Klimakonferenz vor zwei Jahren in Dubai hatten die rund 200 Staaten eine Abkehr von diesen fossilen Brennstoffen beschlossen - wann und wie dies geschehen soll, wurde nun anders als erhofft in Belém nicht präzisiert.

Die USA sind unter Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen und blieben Belém fern. In der Vergangenheit waren sie ein wichtiger Geldgeber im Kampf gegen den Klimawandel.

Trotzdem sollen reiche Staaten ihre Klimahilfen an ärmere Länder zur Anpassung an die Folgen der Erderhitzung deutlich erhöhen: Von einer Verdreifachung bis 2035 ist die Rede. Doch wird kein Basisjahr dafür und kein konkreter Betrag genannt. Die Summe dürfte deutlich unter den jährlich 120 Milliarden US-Dollar liegen, die Entwicklungsländern vehement gefordert hatten. Sabine Minninger von Brot für die Welt kritisierte, auch die Bundesregierung habe in dem Punkt zu den «Bremsern» gehört.

Gestartet wurde von Brasilien ein neuer Fonds zum Schutz des Regenwalds, für den Deutschland eine Milliarde Euro über zehn Jahre gestreckt bereitstellt. Länder, die ihre Wälder erhalten, sollen nach diesem neuen Modell belohnt werden. Umgekehrt sollen sie für jeden zerstörten Hektar Wald Strafe zahlen.

Einen konkreten «Waldaktionsplan», um die Zerstörung von Wald einzudämmen, beschloss die Konferenz hingegen nicht. Es wird lediglich an einen früheren Beschluss erinnert, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen.

UN-Generalsekretär António Guterres sagte, viele seien wohl enttäuscht, insbesondere junge Menschen, indigene Völker und alle, die unter den Folgen des Klimawandels leiden. «An alle, die demonstriert, verhandelt, beraten, berichtet und mobilisiert haben: Gebt nicht auf! Die Geschichte ist auf eurer Seite!», ermutigte Guterres.

Brasilien hatte eine «Konferenz der Wahrheit» versprochen und auf einen grossen Erfolg gehofft. Stattdessen ist nun eher die Wahrheit über die mässige Entschlossenheit der Weltgemeinschaft bei der Krisenbekämpfung ans Licht gekommen. Die Konferenz sei nicht von wegweisenden Beschlüssen geprägt, bemängelte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer. «Die Staaten versprechen zu wenig und selbst diese Zusagen werden nicht eingelöst.»

Andererseits: Parallel zum Klimagipfel bekannten sich am anderen Ende der Welt in Südafrika die G20-Staaten - wenn auch in abgespeckter Besetzung - zur verstärkten Bekämpfung des Klimawandels. Sie sind für den Mammutanteil der weltweiten Emissionen verantwortlich.

Umweltminister Schneider sagte, die Ölstaaten hätten mit einer «Blockade» ehrgeizigere Beschlüsse verhindert. Im zentralen Abschlussdokument ist nicht die Rede von fossilen Energieträgern, auch Öl, Kohle und Gas werden nicht explizit genannt - ausser im Begriff «Treibhausgase».

Der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser sprach von einem Versagen. «Ölkonzerne und Exportländer wie Saudi-Arabien und Russland haben verhindert, dass die Konferenz einen beschleunigten Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle verabschiedet.» Auch die USA hätten vorher Druck auf kleine Länder ausgeübt und so aus der Ferne zum Scheitern beigetragen.

Während viele Industriestaaten Fortschritte beim Kampf gegen die Erderwärmung verlangen, rufen ärmere Länder nach mehr Geld für die Anpassung daran. Jede Seite verlangt Zugeständnisse als Voraussetzung für Fortschritte.

Ärmere Staaten und Schwellenländer verweisen auf die Verantwortung der Industrieländer als Hauptverursacher der aktuellen Erderwärmung. Sie fürchten, dass zu viel Tempo beim Klimaschutz ihre Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigt. Ölförderländer wollen hingegen ihr Geschäftsmodell sichern. «Trotz der sich dramatisch zuspitzenden Klimakrise ist eine kleine Gruppe grosser Staaten bereit, alles zu tun, um das fossile Geschäftsmodell zu verlängern», bilanzierte Christoph Bals, der politische Vorstand von Germanwatch.

Selbst 20 Stunden nach dem geplanten Ende lieferten sich die übernächtigten Kontrahenten im Abschlussplenum noch leidenschaftliche Wortgefechte und versuchten mit Anträgen, ihre Inhalte auf den letzten Drücker doch noch in den Beschlusstexten unterzubringen. Ein Vertreter Russlands warf den lateinamerikanischen Staaten vor, wie Kinder nach den Süssigkeiten zu grapschen - ein ungewöhnlich undiplomatischer Vorwurf, den diese entrüstet zurückwiesen.

Die Millionenstadt Belém am Rande des Regenwalds hielt für die Gäste aus aller Welt manch ungewohnte Überraschung bereit: Mehrfach konnten die hallengrossen Zelte den fast täglichen tropischen Regengüssen nicht standhalten und es tropfte in die Flure der Konferenz hinein. Im Endspurt brach dort sogar ein Feuer aus und legte den Gipfel stundenlang lahm. Indigene Aktivisten belagerten im Kampf um mehr Mitsprache und Landrechte mehrfach das Gelände der Konferenz.

Anders als bei vorherigen Konferenzen in autoritären Staaten wie Aserbaidschan oder Ägypten regte sich draussen viel Protest. Höhepunkt waren ein mehrtägiger «Gipfel des Volkes» auf dem Uni-Gelände und ein riesiger, bunter Marsch von Zehntausenden für mehr Klimaschutz.

Ob es im nächsten Jahr ähnlich sichtbare Proteste der Zivilgesellschaft geben wird, bleibt abzuwarten. Dann soll die Klimakonferenz im türkischen Badeort Antalya stattfinden, mit einer besonderen Rolle für Australien. Die Türkei solle «Gastgeber und Präsidentschaft» der nächsten Klimakonferenz werden, Australien hingegen «Präsidentschaft für die Verhandlungen», hatte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth erklärt.

Beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entstehen die meisten klimaschädlichen Treibhausgase, die dafür sorgen, dass sich der Planet immer mehr aufheizt. Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen waren die vergangenen zehn.

Inzwischen geht die Wissenschaft davon aus, dass die im Pariser Klimaabkommen angestrebte maximale Erderwärmung von 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit mindestens befristet überschritten wird, und zwar schon spätestens zu Beginn der 2030er Jahre. Die drastischen Folgen wären mehr und heftigere Stürme, Waldbrände, Dürren und Überschwemmungen.

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