Die Gräueltat von Mülheim an der Ruhr (D) schockiert. Fünf Teenager (drei 14, zwei 12 Jahre alt) vergewaltigen eine junge Frau (18) in einem Waldstück nahe eines Spielplatzes. Den Missbrauch filmen sie mit dem Handy.
Mülheim, Freiburg, Velbert, München – in den vergangenen Jahren wurden in Deutschland mehrere Fälle von Gruppenvergewaltigungen publik. Die Schweizer Kriminalstatistik fächert Sexualdelikte nicht nach Einzeltäter oder Gruppe aus. Doch auch hierzulande sind sogenannte Gruppendelikte ein Thema: «Zwei Drittel der Gewaltdelikte unter Jugendlichen werden in der Gruppe verübt», sagt Jérôme Endrass, forensischer Psychiater und Leiter des Amts für Justizvollzug im Kanton Zürich, zu BLICK.
«Die Täter peitschen sich gegenseitig hoch»
Grundsätzlich sind die Gewalttaten einer Gruppe meist durch besondere Grausamkeit gekennzeichnet. So auch bei Sexualdelikten. «Die Täter peitschen sich gegenseitig hoch. Die Situation eskaliert schneller», erklärt Endrass.
Besonders schlimm sei es dann, wenn die Beteiligten die Veranlagung besitzen, sexuelle Gewalt gegen Frauen als erregend zu empfinden. «Sie tauschen in der Gruppe Fantasien aus, stacheln sich gegenseitig an», so der Psychologe.
Extreme Brutalität, zu der einer alleine nie fähig gewesen wäre, kann die Folge sein. Endrass: «Den Tätern fällt es in einer Gruppe mit Gleichgesinnten zudem leichter, ihr Handeln zu rechtfertigen und mit dem eigenen Gewissen zu vereinbaren.»
«Beteiligte fühlen sich im Nachhinein häufig auch schuldig»
Entscheidend für die Tat und deren Brutalität ist die Zusammensetzung der Gruppe von Tätern. Es wird zwischen einer situativen und einer geplanten Konstellation unterschieden. «Bei situativen Konstellationen fordern sich die Täter gegenseitig heraus. Der Affekt kann eine Rolle spielen, die Unreife der Beteiligten oder schlicht der Zufall. Anders ist es, wenn die Täter sich bewusst verabredet haben, als Gruppe eine solche Tat zu begehen – um eine Fantasie umzusetzen oder ein Verlangen zu befriedigen.»
Ersteres sei deutlich einfacher zu therapieren. Oftmals spielen hier auch Drogen oder Alkohol eine Rolle. «Solche situativen Täter fühlen sich im Nachhinein häufig auch schuldig», erklärt Endrass. Welche der beiden Konstellationen in Mülheim vorliegt, ist unklar. Laut Endrass ist sie aber entscheidend für den weiteren Umgang mit den Verdächtigen.
Auffällig am Fall Mülheim ist, dass es sich bei den Tätern noch um Kinder handelt. Es drängt sich die Frage auf, wie Teenager zu einer so grausamen Tat fähig sind. Doch bereits im Fall der Gruppenvergewaltigung in Freiburg waren die Täter auffällig jung, einige waren erst gerade erwachsen geworden.
Vergewaltigungen meist durch Ausländer begangen
Auch bei ähnlichen Fällen in der Schweiz, die Endrass kennt, waren die Täter «eher junge Personen». Der Experte erklärt: «Generell begehen die Jungen mehr Delikte. Hinzu kommt aber, dass die Gruppe in diesem Alter einen hohen Stellenwert im Alltag einnimmt. Sie bestimmt, wer oder was im Moment in oder out ist. Die Freizeit findet in der Gruppe statt, der Ausgang und der Alkoholkonsum. Alles
wichtige Risikofaktoren für Gewaltkriminalität.»
Die Täter von Mülheim stammen allesamt aus Bulgarien. Im Fall von Freiburg war der Haupttäter ein Syrer. Von 610 registrierten Vergewaltigungen in der Schweiz wurden rund 317 von Ausländern begangen. Woher dieser Überschuss? Endrass: «Die meisten Sexualdelikte sind Beziehungsdelikte. Daraus folgt, dass auch die Opfer von Sexualdelikten überwiegend Ausländer sind. Bei den Tätern lässt sich das so erklären, dass Männer aus Kulturen, in denen die Frau deutlich weniger Rechte hat, eher zu Übergriffen neigen.»
Am gestrigen Montag hat die Polizei in Mülheim einen der mutmasslichen Vergewaltigern (14) festgenommen. Obwohl er noch ein Kind ist. Grund: Der Teenager fiel schon zuvor wegen sexueller Belästigung auf. Die übrigen vier Verdächtigen sind noch auf freiem Fuss. Die Polizei ermittelt weiter.