James Holmes machte einen äusserst gepflegten Eindruck, als er gestern im Bezirksgericht von Arapahoe County in Centennial, einem Vorort von Denver, vor den Richter trat. Im blau-weiss gestreiften Hemd und einem graublauen Sakko, mit Kurzhaarschnitt und Hornbrille präsentierte sich der 27-Jährige zum Prozessauftakt.
Holmes ist in 166 Punkten angeklagt – des Mordes, des versuchten Mordes sowie der Verwendung von Sprengstoffen und Waffen. Am 20. Juli 2012 hatte er, mit Gasmaske und Schutzweste vermummt, in Aurora ein Kino gestürmt. Während auf der Leinwand der neue «Batman»-Streifen lief, warf er Rauchbomben in den Saal, versprühte Tränengas – und erschoss anschliessend zwölf Menschen, darunter ein sechsjähriges Mädchen. 70 Personen wurden verletzt, 58 davon durch die Schüsse.
Psychiatrie, lebenslänglich – oder die Todesstrafe?
Im Falle einer Verurteilung droht Holmes die Todesstrafe. Seine Verteidiger plädieren allerdings auf «nicht schuldig», womit Holmes in eine Psychiatrie eingewiesen würde. Ihr Mandant sei zum Zeitpunkt der Tat unzurechnungsfähig gewesen, habe sich in einer «psychotischen Phase» befunden. Vor der Tat habe er sich einer Psychologin der Uni offenbart, die in der Folge die Uni über die Gefährlichkeit Holmes' informiert habe.
Gegen diese Darstellung spricht laut der Staatsanwaltschaft, dass Holmes seine Wohnung mit mehreren Sprengfallen versehen hatte, die ganz offensichtlich für die Polizisten gedacht waren. Ausserdem hatte er, so die Version der Ankläger, die Tat monatelang geplant. sich ein Waffenarsenal angelegt sowie Tausende Schuss Munition gehortet.
9000 potentielle Geschworene
Entscheiden wird das Urteil der Jury. Zwölf Geschworene und ebenso viele Ersatz-Geschworene müssen nun in einem ersten Schritt des Prozesses ausgewählt werden – der weitaus zeitaufwändigste Teil des gesamten Verfahrens. Bis zu vier Monate könne die Selektion dauern, schätzt die Nachrichtenagentur Reuters. Damit geht die Jury-Auswahl als eine der aufwändigsten in die Geschichte der USA ein.
An 9000 Personen war eine gerichtliche Vorladung geschickt worden. 2000 davon sind Angaben eines Richters zufolge unzustellbar gewesen. Die verbliebenen 7000 Bürger werden die in den kommenden Wochen nach Centennial reisen müssen. Am Bezirksgericht haben sie eine Umfrage mit 75 Fragen auszufüllen, berichtet die «Denver Post». Darin müssen sie unter anderem angeben, was sie über den Fall bereits wissen und ob sie Opfer des Massakers kennen. Anschliessend wird ein Grossteil der Kandidaten ausgesiebt.
Jury muss «death certified» sein
Die verbleibenden 100 bis 150 Kandidaten werden vor Gericht geladen. Wie stehen sie zur Todesstrafe, zu lebenslanger Haft, dem Justizsystem und psychischen Krankheiten? Welches Auto fahren sie, welche TV-Sendungen schauen sie? Die erste Frage ist dabei von besonderer Bedeutung: Nur wenn für einen die Todesstrafe grundsätzlich in Frage kommt, kann man in die engere Auswahl kommen – die Geschworenen müssen «death certified» sein.
Während dieser Teil des Prozesses, «voir dire» genannt, in der Öffentlichkeit auf deutlich weniger Interesse stossen wird als die darauffolgende Hauptverhandlung, ist er aus Sicht von Experten von entscheidender Bedeutung. «Es handelt sich um den wichtigsten Teil des ganzen Prozesses», sagt Anwalt Cliff Stricklin, der bereits als Verteidiger, Staatsanwalt und Richter in Denver tätig war, zur «Denver Post». «Eine falsch gewählter Geschworener kann die ganze Jury gegen dich aufbringen.» (lha/SDA)