Brexit ist wieder Top-Thema auf der Insel. Trotz Corona-Krise, angeschlagener Wirtschaft und der permanenten Gefahr, dass das Vereinigte Königreich auseinanderbricht. Am Dienstag starten die neuen Verhandlungen mit der EU – und eine Einigung ist nicht in Sicht.
Dabei bräuchte es dringend ein Anschlussabkommen! Die britischen Europa-Abgeordneten haben ihre Büros in Brüssel zwar geräumt, doch Ende Jahr droht (mal wieder) der No-Deal-Brexit. Dann läuft die Übergangsfrist ab, in der noch alle EU-Regeln gelten. Bisherige Verhandlungen verliefen ergebnislos.
Pünktlich zur neuen Verhandlungsrunde schlägt die Regierung von Briten-Premier Boris Johnson (56) nun wieder den gewohnt scharfen Ton an.
Brexit-Boris droht mit No-Deal
Mehr Tempo, mehr Entgegenkommen: Das fordert Boris Johnson von der EU. Wenn es bis Mitte Oktober keinen Anschlussdeal gebe, sei Grossbritannien bereit, das zu akzeptieren und ohne Handelsabkommen weiterzumachen, kündigte er am Montag an. Wie es dann weitergeht? «Wir haben dann ein Handelsabkommen mit der EU wie Australien», sagte Johnson. Er findet, das wäre ein «gutes Ergebnis» für die Briten. Die Regierung bereite sich und ihre Grenzen und Häfen darauf vor.
«Wir werden die volle Kontrolle über unsere Gesetze, unsere Regeln, unsere Fischerei haben. Wir werden die Freiheit für Handelsabkommen mit jedem Land weltweit haben», schwärmt Johnson.
Ein Hintertürchen lässt er sich jedoch offen – auch wenn London die Verhandlungsfrist angeblich nicht verlängern will: Man sei natürlich jederzeit bereit, mit «unseren Freunden von der EU» zu reden.
Regierung stellt offenbar Brexit-Deal in Frage
Am Wochenende berichtete die «Financial Times» zudem: Ein britisches Gesetz könnte den Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Grossbritannien in Frage stellen. Das geplante Binnenmarktgesetz soll «die Rechtskraft von Teilen des Ausstiegsabkommens» über staatliche Beihilfen und nordirische Zölle beseitigen, und zwar bewusst! Die zwei betroffenen Klauseln im Brexit-Deal sind heikel: Sie sollen eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland vermeiden. Jahrelang war das die Knacknuss im Brexit-Streit – bis Boris Johnson sich gegen den Willen der Brexit-Befürworter auf die Sonderregeln einliess.
Dementsprechend entsetzt reagiert Brüssel. EU-Chefin Ursula von der Leyen (61) forderte Grossbritannien zur Einhaltung des Brexit-Deals auf: Das sei eine Verpflichtung nach internationalem Recht und Voraussetzung für die künftige Partnerschaft Grossbritanniens mit der EU. Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier (69) kritisierte die Briten einmal mehr. Sie hätten gerne «das Beste aus beiden Welten».
Eilig rudern die Briten zurück. Die Irland-Klauseln seien nicht in Gefahr, teilte Umweltminister George Eustice (48) am Montag mit. Die britische Regierung wolle lediglich «ein oder zwei lose Enden verknüpfen, wo Rechtssicherheit erforderlich ist». Darauf wird auch die EU pochen.