Bislang hat der Brexit den britischen Wahlkampf dominiert. Nach der tödlichen Messerattacke eines verurteilten Terroristen am Freitag hat eine Debatte über vorzeitige Haftentlassungen das Land erfasst.
Der britische Premierminister Boris Johnson machte die frühere Labour-Regierung für die vorzeitige Haftentlassung des London-Bridge-Attentäters Usman Khan verantwortlich. Der 28-Jährige erstach am Freitag zwei Menschen. Die Polizei erschoss ihn am Tatort.
Die Freilassung Khans sei aufgrund von Gesetzesänderungen möglich gewesen, «die von der Labour-Partei vollzogen wurden», sagte Johnson am Sonntag in der BBC-Talkshow Andrew Marr. Labour regierte in Grossbritannien zuletzt von 1997 bis 2010. Seither sind Johnsons Tories in verschiedenen Konstellationen an der Macht.
Freigelassene Terroristen sollen zurück in Haft
Johnson kündigte eine härtere Gangart gegen Schwer- und Sexualverbrecher sowie Terroristen an. Ausser Usman Khan seien 74 weitere wegen terroristischer Aktivitäten verurteilte Gefangene vorzeitig entlassen worden. Diese Fälle würden nun überprüft.
Wie die britische Zeitung «The Telegraph» berichtet, sollen jetzt vorzeitig freigelassene Terroristen zurück ins Gefängnis geschickt werden. Ein enger Vertrauter des London-Bridge-Attentäters sei demnach der erste Mann, für den die Freiheit abrupt geendet hat: Nazam Hussain (34) war am Sonntagabend bei einer Razzia unter dem Verdacht verhaftet worden, neue Terrorattentate vorbereitet zu haben.
Hussain sei einer der 74 verurteilten und wieder auf freien Fuss gesetzten Terroristen, die nach dem Anschlag am Freitag untersucht würden. Demnach soll er in den nächsten Tagen zurück in Haft geschickt werden. Die Polizei verneinte einen Zusammenhang zwischen Hussains Verhaftung und dem Attentat auf der London Bridge. Hussain und Khan waren 2012 wegen terroristischer Straftaten inhaftiert worden. Beide kamen am gleichen Tag im letzten Dezember frei, nachdem ein Berufungsgericht ihre Strafen reduziert hatte.
23-Jährige ist zweites London-Bridge-Opfer
Während sich der politische Schlagabtausch zwischen Konservativen und Labour um die Schuldzuweisungen für das Freitag-Attentat verschärft, ist der Name des zweiten London-Bridge-Opfers bekannt geworden. Es handelt sich um die 23-jährige Cambridge-Absolventin Saskia Jones, die sich kürzlich bei der Polizei um eine Stelle beworben habe.
Pikantes Detail: Jones hatte am Freitag an einem Anlass ihrer Cambridge-Universität teilgenommen, bei dem es um die Wiedereingliederung von Ex-Häftlingen ging. Ihr Mörder Usman Khan hatte zuvor an einem Kurs des Hilfsprogramms teilgenommen.
Auch beim bereits bekannten Opfer, dem jungen Briten Jack Merritt (†25), handelte es sich um einen Teilnehmer des Projekts namens Learning Together, bei dem Kriminologie-Studenten und ehemalige Häftlinge zusammengeführt werden. Merritt und Jones waren im Rahmen dieses Projekts am Freitag in London und trafen dann auf ihren Mörder Khan. (kes)