Seit letztem Freitag verharrte der Italiener Marco Confortola (37) allein auf 8611 Metern Höhe. Heute erreichten ihn ein amerikanischer und ein pakistanischer Bergsteiger, die ihm beim Abstieg halfen. Confortola ist total erschöpft und hat schwere Erfrierungen, erreichte aber das Basislager auf 5200 Meter Höhe. Das haben nicht alle 15 im Berg gefangenen Alpinisten geschafft. Elf mussten beim schwersten Unglück am 8611 Meter hohen K2 am Wochenende ihr Leben lassen. Bei einigen Überlebenden ist noch unklar, ob aufgrund von Erfrierungen Gliedmassen amputiert werden müssen.
Der holländische Bergsteiger Wilco Van Rooijen ist einer der Geretteten. Der 40-Jährige erreichte in der Nacht auf Freitag, wie Confortola, den Gipfel des zweithöchsten Bergs der Welt und musste zwei Nächte lang ohne Schlafsack und Proviant auf dem K2 ausharren.
Beim Aufstieg ging schon alles schief
Mehrere Expeditionen warten den ganzen Juli auf besseres Wetter, um den K2 besteigen zu können. Als am Freitagabend der Wind nachlässt, entscheiden sich einige für den Aufstieg. Viele Alpinisten folgen, obwohl es unter Bergsteigern als leichtsinnig gilt, am späten Nachmittag aufzubrechen. Die Tour steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Bereits beim Aufstieg legen die vordersten Kletterer die Seile an den falschen Stellen, unter anderem auch im berüchtigten «Bottleneck» (Flaschenhals), 300 Meter unterhalb des Gipfels. «Wir waren überrascht. Wir mussten es ändern. Das brachte uns viele, viele Stunden vom Kurs ab. Einige kehrten um, weil sie dem nicht mehr trauten», sagt Van Rooijen jetzt. Erst bei Einbruch der Dunkelheit erreichen sie den Gipfel und müssen den Abstieg durch den mehrere Hundert Meter langen Flaschenhals mitten in der Nacht in Angriff nehmen.
Panik bricht aus
Oberhalb des Flaschenhalses befindet sich ein riesiger Sérac – ein Turm aus Gletschereis. Ein Teil davon bricht ab. Die Lawine reisst zwei nepalesische Sherpas und einen Norweger in die Tiefe. Van Rooijens Gruppe wird im Chaos getrennt.
«Sie rannten den Berg herunter. Einige kamen von der Route ab und verirrten sich am Berg – und dann hast du ein grosses Problem», erzählte Van Rooijen der «Los Angeles Times». Er schrie den Leuten zu, dass sie zusammen bleiben sollten, «doch jeder kämpfte für sich allein. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum sich alle im Stich liessen», sagt der holländische Bergsteiger.
Nach der Lawine ziehen Wolken auf und der Weg zurück zum Lager ist kaum erkennbar. Auf dem Abstieg trifft Van Rooijen drei Koreaner in Not: «Da hing einer kopfüber im Seil. Ein Kollege hielt ihn fest – sie standen unter Schock». Sein Angebot auf Hilfe hätten sie abgelehnt. «Sie versuchten nur noch zu überleben. Aber das versuchte ich auch», sagt Van Rooijen. Die drei konnten sich nicht mehr retten.
Am «Schicksalsberg» K2 liessen am Wochenende auch zwei Nepalesen, ein Norweger, ein Serbe, ein Ire, zwei Pakistaner und ein Franzose ihr Leben.
Neben Van Rooijen und Confortola konnten zwei weitere Bergsteiger gerettet werden.