Janine Schoch nach Besuch bei ihren Buben in Tunesien
«Ich müsste aufgeben. Aber ich kann nicht!»

Als die Muttergefühle wieder da sind, muss Janine Schoch ihre Söhne wieder loslassen.
Publiziert: 21.04.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:53 Uhr
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Janine Schoch am Strand. Ihre Kinder wohnen eine Autostunde entfernt im Landesinnern. Sie darf sie nur dort sehen.
Von Nadine Chaignat

Das sind meine Kinder, ich habe sie ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Es ist schwer, Worte zu finden», sagt Janine Schoch (30).

Endlich konnte die Mutter aus Winterthur ZH ihre zwei Buben wieder in die Arme schliessen (BLICK berichtete). «Aber ich brauche immer wieder lange, bis ich mich erholt habe.»

Vom Vater entführt

Elf Stunden konnte Janine Schoch mit ihren Söhnen Elias (7) und Jonas (6) verbringen. Seit der Entführung durch ihren Vater Issam O.* (34) leben sie bei den Grosseltern in Tunesien. Ein tunesisches Gerichtsurteil erlaubt Schoch jedoch, die Kinder von 8 bis 21 Uhr zu besuchen.

Es ist Montag, die Buben kommen erst um 17 Uhr von der Schule heim. Nur vier gemein­same Stunden bleiben der Mutter, am nächsten Tag fliegt sie in die Schweiz zurück. «Es tut weh, weil man weiss, dass man wieder gehen muss. Ich versuche, den Moment zu geniessen. Aber es ist anstrengend, nicht daran zu denken, dass man wieder gehen muss.»

Bis sie ihre Kinder wieder sehen kann, muss sie eine Stunde Auto fahren. Von ihrem Hotel nach Jendouba, wo die Gross­eltern der Buben wohnen.

Die Grosseltern sind nicht so aufgebracht wie am Tag zuvor. Trotzdem darf Mami Janine mit den Buben nur in Haus und Vorhof spielen.

Sie hat ihren Kindern riesige Wasserpistolen mitgebracht. Begeistert spritzen Elias und ­Jonas damit rum. «Mich spritzten sie nicht nass, sie sagten immer ‹Mami nicht›», erzählt Ja­nine Schoch. «Die Nähe zu den Kindern ist das Schönste. Sie zu halten, mit ihnen rangeln.»

Ist die gelegentliche Nähe überhaupt auszuhalten?

Auf der Rückreise gehen ihr viele Dinge durch den Kopf. «Elias braucht sicher mal eine Zahnspange. Und er hat die ganze Zeit Grimassen geschnitten», sagt sie. «Ich habe den Jungs ein Foto von mir und ihnen mitgebracht. Da­rauf meine Telefonnummer.»

«Sie zu sehen, war sehr schön. Ich überlege mir aber, ob es gut ist, die Kinder durcheinanderzubringen, mich durcheinanderzubringen. Das Muttergefühl ist wieder voll da – und dann muss man es einfach wieder loslassen.»

Erst nach Mitternacht ist sie zurück im Hotel in Tunis. Um 5.30 Uhr am Morgen steht sie bereits am Flughafen. «Ich bin kaputt, erschöpft», sagt sie. «Ich müsste aufgeben. Aber ich kann nicht. Ich will mir keine Vor­würfe machen, ich hätte nicht alles gegeben.»

Ein wichtiger Grund für diese Reise war, dass die Kinder ihr Mami nicht vergessen sollen.

«Und dass es beim Gericht in Tunesien nicht heisst, ich hätte kein Interesse gezeigt, und ich deshalb das Sorgerecht nicht kriege.» Obwohl sie sich mit dem Anwalt traf, war es schwierig, beim Gerichtsprozess Fortschritte zu machen.

Niemand kann der Mutter helfen

Janine Schoch möchte das Sorgerecht beantragen. Ihr Anwalt unterstützt sie dabei: «Ich habe aber das Gefühl, mein Anwalt fährt mehr auf Blon­dinen ab, als dass er seinen Job macht. Er sollte mir das Gerichtsurteil besorgen, damit ich es anfechten kann. Seit mehr als einer Woche. Ich habe es immer noch nicht.»

Auch die Schweizer Botschaft in Tunesien kann ihr nicht helfen. «Es ist schrecklich, denn wir fühlen uns ziemlich machtlos», sagt Botschafter Pierre Combernous.

Konkrete Unterstützung erhält sie nur von der Opferhilfe – dies vor allem in finanzieller Hinsicht. Beraten und begleitet wird sie kaum.

«Ich bin einfach die Dumme, die den Falschen geheiratet hat. Und jetzt selber schuld ist», sagt sie. «Das wird mir zwar nicht direkt so gesagt, aber man merkt es ja, wie die Leute reagieren.»

Die Sonne geht gerade am Horizont auf, als Janine Schoch ins Flugzeug steigt. Der Flug startet fast pünktlich um sieben Uhr am Morgen. «Das nächste Mal bleibe ich länger», sagt sie.

* Name der Redaktion bekannt

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