Interview mit Elmar Brok, Mitglied des europäischen Parlaments
«Die EU wird in der Freizügigkeitsfrage nicht wackeln»

Für den deutschen Europapolitiker Elmar Brok ist klar: Nur London kann dem Brexit-Chaos ein Ende bereiten. Auch die Schweiz könne nicht auf ein Entgegenkommen aus Brüssel hoffen.
Publiziert: 21.01.2019 um 10:17 Uhr
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Der deutsche Elmar Brok ist das dienstälteste Mitglied im Europäischen Parlament und ein Vertrauter von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Foto: Imago
Interview: Johannes von Dohnanyi

Das britische Parlament hat den mit Brüssel ausgehandelten Brexitvertrag abgelehnt. Und jetzt?
Elmar Brok: Jetzt warten wir auf die Vorschläge der Briten. Die ­haben Nein gesagt. Und damit liegt der Ball in ihrem Garten. Nur eines muss klar sein: Wenn es um die Integrität des Binnenmarkts und die heutige Struktur der 
Europäischen Union geht, gibt es keinen Spielraum mehr.

Warum sind Sie da so 
kategorisch?
Dann würden doch alle austreten und nur noch die Rosinen für sich behalten wollen. Dann wäre 
Europa am Ende.

Und wenn Brüssel in dieser Lage den Briten entgegen-
käme?
Wie denn? Die Regierung, die ­Regierungspartei und die Opposition sind gespalten. In London kämpft jeder gegen jeden.

Morgen Montag soll Premierministerin Theresa May dem Parlament ihren Plan B 
vorlegen. Ist das realistisch?
Ich fürchte nein. Und was dann kommt, weiss ich nicht. Viele britische Freunde sagen mir, dass Frau May mit dem Parlament neue Vorschläge entwickeln wird. Zum Beispiel den Verbleib in der Zollunion, ein Mandat für neue Verhandlungen. Oder auch 
Neuwahlen.

Und dann finge der ganze 
Zirkus wieder von vorne an?
Wir können das Austrittsdatum nur verschieben, wenn ein neuer Prozess in Gang kommt. Aber der Europäische Gerichtshof hat vor drei Wochen eine neue Option gezeigt: Die Briten können ihre Austrittserklärung einseitig zurückziehen.

Die harte Haltung der EU hat die Brexitfreunde bisher nicht beeindruckt.
Die EU hat immer gesagt, dass es keine Rosinenpickerei geben wird. Ein Land, das die EU verlässt, kann nicht ähnliche Vorteile haben wie eines, das in der Gemeinschaft verbleibt und die Verpflichtungen – auch die finanziellen – übernimmt.

Vielleicht könnte man den Brexitvertrag fle­xibler interpretieren?
Das Parlament unterstützt die vom Europäischen Rat einstimmig definierten Verhandlungsparameter. Keine der 27 Regierungen will Änderungen.

Keine Hoffnung für London also auf Verwerfungen in 
der EU?
Danach suchen britische Journalisten seit zwei Jahren vergeblich. Aber mit dem Hinweis auf angebliche deutsche Wirtschaftsinte­ressen belügen die sich selbst. Frau Merkel wird am Ende des Tages nicht auf dem weissen Ross 
einreiten und alles im Sinn der Briten regeln!

Wieso sind Sie sich da so 
sicher?
Weil die Industrie uns seit zwei Jahren immer wieder sagt, dass die Integrität des Binnenmarkts wichtiger ist als die Folgen des Brexits.

Was jetzt zwischen Brüssel und London passiert, wird in der Schweiz in Bezug auf den neuen Rahmenvertrag sehr genau beobachtet.
Die Angst der Schweiz vor sich selbst macht es auf jeden Fall nicht leichter. Aber die EU wird 
in der Freizügigkeitsfrage nicht ­wackeln.

Und auch da sind Sie sich ganz sicher?
Wieso sollten vor allem die osteuropäischen Länder auf die Freizügigkeit verzichten? Da mag, je nach Land, die eine Säule wichtiger sein als die anderen. Jeder hat da seine eigenen Interessen. Aber genau deswegen kann es keine Mehrheiten und schon gar nicht eine einstimmige Position für die Aufgabe der vier Säulen geben. Die Schweizer müssen – wie die Briten – endlich begreifen, dass sie das eine ohne das andere nicht bekommen werden.

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