Immer mehr kranke Kinder und Schwangere im Flüchtlingslager
Idomeni versinkt im Elend

Es ist nass und kalt in Idomeni. Viele Menschen im griechischen Flüchtlingslager an der mazedonischen Grenze müssen im Freien schlafen. Wegen der schlechten hygienischen Bedingungen besteht akute Seuchengefahr.
Publiziert: 09.03.2016 um 16:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 06:06 Uhr
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Die Zustände im Flüchtlingslager von Idomeni sind prekär.
Foto: imago/Pacific Press Agency
Georg Nopper

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen schlägt Alarm: Ihre Mitarbeiter im griechischen Flüchtlingslager von Idomeni würden immer mehr «Säuglinge, Frauen im späten Stadium der Schwangerschaft sowie Menschen mit schweren körperlichen oder geistigen Behinderungen und chronischen Erkrankungen» sehen, die medizinische Hilfe bräuchten.

«Die meisten Menschen sind aufgrund der hygienischen Bedingungen und dem kalten Wetter an Atemwegsinfektionen und Magen-Darm-Grippe erkrankt», heisst es in einer Medienmitteilung von gestern. «Ärzte ohne Grenzen hat mehr als 2000 medizinische Konsultationen in einer Woche durchgeführt.»

Gefährliche Brühe

In der Nacht auf heute und am Morgen hat es wieder heftig geregnet. Das Wasser unterspült die Zelte, durchnässt Wolldecken, durchmischt sich mit Abfall und Exkrementen und sammelt sich in Pfützen zu einer gefährlichen, gesundheitsschädigenden Brühe.

Etwa 14’000 Menschen stecken in dem Flüchtlingslager an der Grenze zu Mazedonien fest. Die Chancen für ein Weiterkommen in Richtung Westeuropa stehen schlecht: Nach Slowenien, Kroatien und Serbien hat nun auch Mazedonien seine Grenze für Flüchtlinge praktisch komplett geschlossen – in Zukunft dürfen nur noch Menschen mit gültigen Reisepässen und Visa einreisen.

Laut Ärzte ohne Grenzen schlafen Hunderte Menschen in der Kälte, weil zu wenig Zelte vorhanden sind. Die 150 Mitarbeiter der Hilfsorganisation verteilten in Idomeni pro Tag mehr als 2000 Decken, 35’000 Mahlzeiten und rund 1500 Hygiene-Kits. Zudem seien neue Wasserverteilstellen und chemische Toiletten installiert worden.

Schwere Vorwürfe an die Adresse der EU

Bei Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei sollen derweil Wege gefunden werden, den Flüchtlingszustrom in Richtung Westeuropa zu stoppen. Aurelie Ponthieu, Expertin für Flucht und Migration bei Ärzte ohne Grenzen, kritisiert das Vorgehen scharf: «Die europäischen Politiker haben den Bezug zur Realität völlig verloren.» Das Geschäft, das die EU und die Türkei derzeit aushandelten, sei zynisch.

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Ponthieu: «Offensichtlich ist Europa bereit, alles zu tun, um den Strom von Flüchtlingen und Migranten nach Europa zu stoppen, selbst wenn dafür grundlegende Menschenrechte und Prinzipien des Flüchtlingsrechts beschädigt werden.» Derweil leiste Ärzte ohne Grenzen seit fast einem Jahr Hilfe, was eigentlich in der Verantwortung Europas liegen würde.

Europas Entscheider dürfen laut Ponthieu «die durch ihre Politik verursachte europäische Migrationskrise nicht weiter befeuern, sondern müssen die einzige realistische und menschliche Antwort geben: sichere und legale Fluchtwege, humanitäre Hilfe und Sicherheit für die, die sie brauchen».

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