Seine Neugier bezahlte der amerikanische Taucher Christopher Le Cun (30) fast mit seinem Leben. Vor der Küste Floridas geriet er auf einem Tauchgang mit seinem Kumpel Robert Blake in eine beinahe vier Meter breite Wasserpipeline, in welcher pro Minute bis zu einer Million Liter Wasser durchströmt.
Eigentlich sollte es an diesem vergangenen Juli-Tag ein normaler Familienausflug auf dem Boot werden, doch als die beiden Taucher eine grosse gelbe Boje sahen, war die Neugier zu gross. Als die erfahrenen Taucher abtauchten, fanden sie drei riesige Röhren vor sich. «Ein Warnsignal war nirgends angebracht», so Le Cun, der dann plötzlich «wie eine Nudel hineingesaugt wurde», wie sein Freund den Schreckensmoment schilderte. Was die beiden Taucher sowie deren Familien erst im Nachhinein erfuhren: Diese Pipelines dienen zur Kühlung des Atomkraftwerks St. Lucie.
Kurz an Suizid gedacht
Rund fünf Minuten war Le Cun in der 700 Meter langen Wasserröhre unterwegs, nicht einmal die Hand konnte er vor sich erkennen. Während des Horrortrips wurde er unzählige Male an die Betonwände des Kanals geschleudert. «Ich dachte einen Moment darüber nach, meine Atemmaske abzunehmen und einfach zu sterben», sagte der Taucher unter Tränen dem Nachrichtensender CNN. Doch dann dachte er an seine Frau und die Kinder, welche auf ihn warteten. Mit der Angst, jeden Moment in einer Turbine umzukommen, wurde er schliesslich ins Reservoir des AKW gespült.
Ungläubig soll ihn dann ein Mitarbeiter der AKW-Betreiberfirma «Florida Power & Light» gefragt haben, wie er in das Becken komme und fügte hinzu: «Sie haben Glück, in fünf Minuten hätten wir hier alle Feierabend gemacht.» Der erste Gedanke, als Le Cun ins Sonnenlicht schaute, galt seiner Frau, welche er mit dem Mobiltelefon des Mitarbeiters anzurufen versuchte, doch diese telefonierte gerade mit der Notrufzentrale.
Betreiberfirma wird verklagt
Le Cun hat seinen ungewollten Besuch im AKW zwar überlebt, aber der Schock sitzt tief. Jetzt will er gegen die AKW-Betreiber rechtliche Schritte einleiten. Gemäss seiner Aussage seien die Einlässe zur Kühlleitung weder gesichert noch sei ein Warnschild angebracht gewesen.
Greg Brostowicz, Sprecher der Betreiberfirma «Florida Power & Light», sagte gegenüber CNN:
«Nichts ist wichtiger als die Sicherheit bei unserem Atomkraftwerk. Der Taucher schwamm vergangenen Juli bewusst in die Pipeline, indem er eine Abdeckung umgangen hat, welche ein Eindringen kleiner Gegenstände verhindert. Vor Ort schwimmt eine 2,40 Meter hohe Boje über den Pipelines, welche bereits bei der Inbetriebnahme des Atomkraftwerks gesetzt wurde und angibt, dass man 30 Meter Abstand halten soll. Die drei Kühlwasserzuleitungen verlaufen über 700 Meter auf dem Grund des Ozeans entlang. Die Pipeline des Tauchers ist rund vier Meter breit und ist mit einer Abdeckung geschützt.»
Le Cun gibt zu, eine Art Abdeckung gesehen zu haben, doch «dieses Ding hält nichts und niemanden davon ab, hineingesaugt zu werden».
1989 ähnlicher Vorfall im gleichen AKW
Gemäss einer Meldung der «United Press International» war Le Cun nicht der erste Taucher, welcher von den Ansaugrohren erfasst wurde. Bereits 1989 widerfuhr William Lamm (45) eine ähnliche Geschichte. Auch damals überlebte der Taucher, doch auch er behauptete damals schon, dass die Vorsichtsmassnahmen ungenügend waren. (lz)