«Ich wusste nicht genau, was ich mit meinem Leben anfangen soll»
Wie diese Schulschwänzerin zur Nobelpreisträgerin wurde

Die Nobelpreisträger der Wissenschaft werden kommende Woche in Stockholm verkündet. Nicht alle Preisträger waren Musterschüler – einige hatten unkonventionelle Wege und Rückschläge zu überwinden.
Publiziert: 10:48 Uhr
|
Aktualisiert: vor 57 Minuten
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/8
Frances Arnold aus den USA, die 2018 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat als Schülerin in den turbulenten 60er- und 70er-Jahren öfter mal die Schule geschwänzt.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Nicht alle Nobelpreisträger waren exzellente Schüler oder hatten geradlinige Karrieren
  • Einstein, Arnold und Card hatten unkonventionelle Bildungswege vor ihrem Erfolg
  • Card lernte mit 11 Jahren Traktorfahren und stand um 5 Uhr auf
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Wer den Nobelpreis will, muss etwas leisten. Das ist klar. Doch nicht immer ist der Weg als Forscher gradlinig. 

Manche der vielen Preisträger der vergangenen Jahrzehnte hatten einen schwierigen oder unkonventionellen Weg mit Rückschlägen oder Umwegen hinter sich, als ihnen die prestigeträchtige Ehrung schliesslich zuteilwurde. Die Geschichte zeigt: Auch mässige und rebellische Schüler und Studienfachwechsler haben Chancen auf einen Nobelpreis.

In diesen Tagen richten sich die Augen der Wissenschaftsgemeinschaft wieder nach Stockholm, wo in der kommenden Woche die Träger der Wissenschafts-Nobelpreise verkündet werden. Darum ein Blick auf drei Preisträger, die einen besonderen Lebensweg haben.

Einstein war damals der Einzige seines Jahrgangs ohne Stelle

Als wohl bekanntestes Beispiel wird gern der in Ulm geborene Albert Einstein (1879–1955) genannt. Sein Studium am Polytechnikum Zürich, der heutigen ETH Zürich, schloss er 1900 mit dem Diplom zum Fachlehrer in mathematischer und naturwissenschaftlicher Fachrichtung ab – allerdings als zweitschlechtester seines Jahrgangs, weil ihn eigentlich nur das Fach Physik interessierte und er öfter mal den Unterricht schwänzte.

Einstein war damals der Einzige seines Jahrgangs, dem im Anschluss keine Stelle als Forschungsassistent angeboten wurde. Später gelangen Einstein mit seiner Relativitätstheorie und anderen wissenschaftlichen Arbeiten jedoch Meilensteine, 1921 bekam er den Physik-Nobelpreis.

«Ich hatte kein Interesse an dem, was sie uns beibringen wollten»

Auch Frances Arnold (69) aus den USA, die 2018 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat als Schülerin in den turbulenten 60er- und 70er-Jahren öfter mal die Schule geschwänzt. «Ich war nicht diszipliniert. Mir war einfach langweilig und ich war weit vor dem, was der Rest der Kinder in meiner Klasse machte», schildert Arnold der Nachrichtenagentur AFP. Damit sie beschäftigt war, wurde sie mit dem Dekorieren des Klassenzimmers oder anderen Sonderaufgaben beauftragt. Mit zehn bekam sie schliesslich die Erlaubnis, High-School-Kurse wie Geometrie zu belegen.

Als Teenagerin hatte Arnold allerdings keine Lust mehr auf die Schule, ging nicht mehr hin und flog schliesslich von der Schule. «Ich hatte kein Interesse an dem, was sie uns beibringen wollten», sagt sie rückblickend. «Oder wenn es mich interessiert hat, habe ich es einfach selbst aus einem Lehrbuch gelernt.» Auf diese Weise bestand Arnold all ihre Kurse, obwohl sie praktisch nie in der Schule war.

Der heute 69 Jahre alten Wissenschaftlerin ist klar, dass das kein gutes Vorbild ist. Arnold findet aber, dass Schulen flexibler mit unterschiedlich begabten Kindern umgehen müssten. Leider hätten sie oft «nicht die Mittel, den Unterricht an die Kinder anzupassen, so dass sie davon wirklich profitieren würden».

«So konnte man sehr leicht, sehr schnell vorankommen»

Die Bildungskarriere von David Card (69), Träger des Wirtschaftsnobelpreises 2021, begann auch ungewöhnlich. «Fast keiner, dem ich im Wirtschaftspromotionsstudium begegnet bin, hatte einen Hintergrund wie ich», sagt Card im AFP-Interview. Er war 1956 auf einer Farm in Kanada zur Welt gekommen und ging in eine Dorfschule, in der eine Lehrerin etwa 30 Schüler verschiedener Klassenstufen unterrichtete.

Die Lehrerin habe sich abwechselnd mit den verschiedenen Jahrgängen in ihrer Klasse beschäftigt. «Tatsächlich habe ich bei mehreren Klassenstufen über mir zugehört», schildert Card. «So konnte man sehr leicht, sehr schnell vorankommen.»

«Du weisst mehr zu schätzen, was ein Hochschulstudium dir bieten kann»

Die Karrieren von Arnold und Card verliefen auch nach der Schulzeit nicht geradlinig, beide sammelten erst mal in anderen Berufen Lebenserfahrung. Arnold jobbte einst als Kellnerin, Rezeptionistin und Taxifahrerin – und profitierte rückblickend davon. «Du weisst mehr zu schätzen, was ein Hochschulstudium dir bieten kann», bilanziert sie gegenüber AFP. Ausserdem habe sie durch ihre Nebenjobs gelernt, sich ihre Zeit einzuteilen.

Card arbeitete schon als Kind auf der elterlichen Farm mit. Er habe mit elf Jahren Traktorfahren gelernt und sei morgens immer um 5 Uhr aufgestanden, um vor der Schule beim Kühemelken zu helfen, sagt er. An der Uni studierte er erst mal Physik, bevor er zu seinem heutigen Fachgebiet Ökonomie wechselte.

Bei Arnold lief es ähnlich. «Ich wusste nicht genau, was ich mit meinem Leben anfangen soll», sagt sie. Sie studierte zunächst Maschinenbau und Luftfahrttechnik, bevor sie schliesslich zur Chemie kam. Auf ihrem ungewöhnlichen Lebensweg fanden Card und Arnold aber letztlich das Forschungsgebiet, das ihnen den Nobelpreis einbrachte.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen