Wie viele Polizisten braucht es, um einen auf dem Trottoir fahrenden jugendlichen Scooter-Fahrer aus dem Verkehr zu ziehen? Bei einem Einsatz der Hamburger Polizei vom Montag brauchte es mindestens acht davon. Weil sich der Jugendliche nicht ausweisen wollte und sich gegen eine Festnahme wehrte, würgten ihn die Beamten und rangen ihn mit vereinten Kräften zu Boden. Einer der Polizisten schlug den Jugendlichen dabei gezielt ins Gesicht.
Das Video einer Augenzeugin dokumentiert die Polizeiaktion. Der Umgang der Beamten mit dem 15-jährigen Jugendlichen, der offenbar in Panik geriet, sorgt nun im Internet für Empörung. Die Kommentare unter dem Video prangern die brutale Vorgehensweise der Polizisten an und weisen auf ihre offensichtliche Überforderung hin.
Parallelen zum Fall George Floyd
«Die gehören alle sofort aus dem Staatsdienst gefeuert!», schreibt ein Twitter-User. «Solltet ihr nicht wissen, wie man deeskaliert?», fragt ein anderer. Das Verhalten der Polizei sei «höchst unprofessionell», sagt ein dritter. Einige Einträge ziehen Parallelen zum Fall um George Floyd, der bei einer Verhaftung in der US-Stadt Minneapolis von einem Polizisten getötet wurde.
Die in dem Augenzeugenvideo dokumentierte Szene in Hamburg spielt sich vor einer Mauer mit einem Graffiti von George Floyds letzten Worten ab: «Please, I can't breathe.» Die Polizisten versuchen die Augenzeugin mehrmals vom Filmen abzuhalten. Doch die Frau besteht auf ihr Recht und macht unbeirrt weiter.
Auf dem Video ist zu hören, wie die Polizisten den unbewaffneten Jugendlichen auffordern, sich auf den Boden zu legen. Doch dieser leistet nicht Folge – die Polizisten brüllen ihn an. «Auf den Boden! Auf den Boden, verdammt nochmal!» Beobachter versuchen vergeblich, die Situation zu beruhigen. «Bleibt doch mal locker», sagt die Filmende. «Der ist 15 Jahre alt.»
Als der Jugendliche schluchzend am Boden liegt, knien mehrere Polizisten auf ihn. «Der weint doch», sagt ein Beobachter. Der Jugendliche atmet schwer. «Ich krieg keine Luft», ruft er verzweifelt.
Einschreiten wird intern überprüft
Einer der Zeugen bezeichnet die Massnahmen der Polizei gegenüber dem «Hamburger Abendblatt» als «unverhältnismässig». Mindestens zehn Polizisten seien im Einsatz gestanden. Mindestens zwei Polizisten seien auf den Jugendlichen draufgesessen. Ausserdem sollen ein Schlagstock und Pfefferspray gegen ihn eingesetzt worden sein. Der Jugendliche habe sich später ohne Widerstand ins Polizeiauto gesetzt.
Die Hamburger Polizei äussert sich am Montagabend auf Twitter: «Aktuell erreicht uns Kritik zu einem Video, das heute durch mehrere Nutzer veröffentlicht wurde und angeblich einen heutigen Einsatz mit Beteiligung mehrerer Kollegen zeigt. Wir prüfen das Video und den Inhalt.»
Der Jugendliche habe mit einem Elektro-Roller wiederholt verbotswidrig das Trottoir benutzt, heisst es schliesslich in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Beim letzten Mal sei ihm mit einer Ordnungswidrigkeitenanzeige gedroht worden. Als er am Montag trotz Verwarnung wieder erwischt wurde, hätten die Polizisten die Personalien feststellen wollen. Der Jugendliche «sperrte sich beim Ergreifen durch die Einsatzkräfte, schlug mit den Armen um sich, schubste die eingesetzten Beamten von sich weg und ballte teils seine Faust», wie es in der Stellungnahme heisst.
Zum Überwinden des Widerstandes seien weitere Beamte zur Unterstützung hinzugerufen werden. Wie die Polizei bestätigt, wurde dabei auch Pfefferspray eingesetzt. Gegen den Jugendlichen wurde ein Strafverfahren wegen Widerstands eingeleitet. Das Einschreiten der Polizei wird intern überprüft überprüft. (noo)